Am 5. April kam Dr. Andreas Batlogg SJ ins Pruttinger Pfarrheim. Den wenigsten war wohl bewusst, wer und was da auf sie zukam.
Den Kontakt hergestellt hatte Ideengeberin Edith Heindl; eingeladen hatte die Pfarrei Schwabering, die derzeit im Pfarrverband – und darüber hinaus – die treibende Kraft ist, die sich um die Zukunft der Kirche bemüht. (Ein Vernetzungstreffen kündigte Kurt Kantner in ca. vier bis sechs Wochen an; wer dabei sein möchte, schreibt einfach an zukunft-der-kirche@pv-prutting-vogtareuth.de.) Dass diese Kirche jedenfalls semper reformanda ist, nämlich stets neu zu gestalten, war der Ausgangspunkt dieses Abends.

Andreas Batlogg ist Jesuit wie Papst Franziskus, seit 2014 in München an St. Michael in der Fußgängerzone. Er ist Karl-Rahner-Spezialist (u.a. Mitherausgeber der großen Werkausgabe) – also einer, der sehr viel mehr weiß, als dass der Fromme von morgen einer sein wird, der etwas ‚erfahren‘ hat oder so – und insofern auch Fachmann für das Zweite Vatikanische Konzil (1962–1965), von dem aus er sogar seinen eigenen Geburtstag datiert. Er ist aber nicht nur gelehrt, sondern, wie es einem Jesuiten wohl ansteht, auch klug. So saß er da im Pruttinger Pfarrheim, in geradezu rotzfrecher Bescheidenheit.
Wenn er sich ans Hirn langt und zu sprechen beginnt, dann tut er das frei, ehrlich und unaufgeregt, aber oft mit gefährlichem Witz – wie ein Wetterleuchten: viel zu groß für umbauten Raum, ein Grund zur Sorge den Immobilienbesitzern, aber Freude und Hoffnung für alle, die in dürrem Land auf Regen warten. Manchmal fuhren wir selbst zusammen, wenn ein Blitz zuckte und zum Beispiel das Wort „Reizwäsche“ (für Rochett) einschlug.
Etlichen im Publikum kam das ein bisserl unheimlich vor, vor allem aber schwierig. Von den Begrifflichkeiten zwischen Reformatio, Renovatio und Aggiornamento über die Persönlichkeiten des Konzils, ihre Motive, Positionen und Strategien bis hin zu den 16 Ergebnisdokumenten und ihrer Theologie ist ein solches Konzil nun einmal eine ebenso umfangreiche wie komplizierte Sache. Zum Trost: Wir müssen das nicht alles wissen. Aber es ist sehr gut zu wissen, dass Batlogg es weiß. Denn er kommt zu keinem anderen Schluss als wir, wenn er uns ermuntert:
„Fangen Sie hier an. Tun Sie, was hier zu tun ist. Warten Sie nicht auf München, warten Sie nicht auf Rom.“
Interessanterweise ist dies ungefähr auch das, was Papst Franziskus den durch das Vaticanum gestärkten Bischöfen sagt: Macht doch, ihr dürft und sollt. Aber auch hier wird es so sein – eine der Lehren aus Batloggs Konzilsdarstellung –, dass das größte Hindernis diejenigen Bischöfe sind, „die sich nicht deklarieren“, die lieber vorsichtig sind, weil man ja nicht weiß, wer der nächste Papst wird, mit dem man es sich nicht verderben will.
Da sind wir bereits mitten in der von Kurt Kantner moderierten Diskussion, für die sich Batlogg viel Zeit nahm. Sie zeigte, dass in den Pfarreien vom Konzil vor allem ein neues Messbuch und der Volksaltar angekommen sind. Der Rest, namentlich Gaudium et Spes – das ist, so Edith Heindl, „alles nicht bekannt“. Es bleibt also viel zu tun. Es bleiben aber auch viele Möglichkeiten, die das Zweite Vatikanische Konzil bereits vorsieht, die nur noch nicht umgesetzt sind. Ob sich das einfach mit einem Generationenwechsel bei den „Botschaftern der Botschaft“ durchsetzt, wurde übrigens stark bezweifelt.
Nicht bezweifelt wurde, dass die Zulassung von Frauen zu geistlichen Ämtern, speziell zur Priesterweihe überfällig ist. Batlogg bezieht hierzu eine pragmatische, konsensfähige Position, deren Stärke er – ganz Jesuit – aus der Gegenposition bezieht: Wenn die Eucharistie das Allerwichtigste ist, dann muss die „Ständekirche“ auch „die Bedingungen schaffen“, dass Jesus Christus so ganz bei uns gegenwärtig sein kann. Mit anderen Worten: Erzähl mir nix von den Mysterien der Wandlung, wenn du eh nicht genug Männer dafür hast. Eucharistie, die nicht stattfindet, ist keine. Zu ergänzen wäre hier Alois Schmidmayer, der an anderer Stelle einmal gesagt hat, dass der letzte Christ vermutlich eine Christin sein wird. Dass Papst Franziskus bei der Amazonassynode diesen Schritt selbst nicht gegangen ist, bleibt bitter. Vielleicht finden Frauen aber tatsächlich eine „marianische“ und vielleicht noch bessere Weise, Christus erscheinen zu lassen. Maria hat’s gekonnt.
Viel Stoff zum Nachdenken also. Etliches zum Nachlesen. Und vor allem viel Ermunterung. Das, was wir an diesem Abend gehört haben, wird in manchen von uns sicher noch lange umgehen, auch wenn der Umgang damit schwierig ist. Das Wort, das Pfarrer Guido Seidenberger in seinen Dankesworten zum Schluss dafür fand, war „intensiv“. Wir hätten uns freilich etwas mehr Publikum gewünscht. Aber die da waren, waren da und ganz bei der Sache, Gemeindereferentin Katharina Hauer ebenso wie der Vogtareuther Bürgermeister Rudolf Leitmannstetter und die Pfarrgemeinderäte aus allen vier Pfarreien, Prutting, Schwabering, Vogtareuth und Zaisering. Sie dürfen nun davon erzählen, dass Andreas Batlogg einmal bei uns in Prutting war – und sich wundern, wenn die anderen dann große Augen machen.
Florian Eichberger
PS: Die „Auferstehung des Vertrauens“ aus der Fastenpredigt von Heribert Prantl, mit der Batlogg in den Abend einstieg, gibt es online bei den Jesuiten von St. Michael als Audiofile und PDF zum Herunterladen.
PPS: Für die Kontaktpunkte, an denen Menschen wie von selbst Gelegenheit hätten, Gott zu begegnen – Taufe, Erstkommunion, Hochzeit etc. –, hat Batlogg übrigens das schöne Wort „Einflugschneise“.
Papst Franziskus hat die Reizwäsche neulich zwar nicht als Reizwäsche, aber doch – und zwar mit Bezug auf das Konzil – als „Spitze der Oma“ kritisiert. „Wo sind wir denn?“, fragte er.