Joh 20,1–9

Predigt zum Ostersonntag

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben, festlich versammelte Gemeinde in der Freude der Auferstehung! Sie hätten wohl nicht unterschiedlicher sein können, die Zeugen der Auferstehung Jesu Christi – die, die als Erste ans Grab gelangen. Und so machen sie ihre ganz eigenen Erfahrungen mit diesen unglaublichen Geschehnissen.

Unglaublich ist es, wie diese – Maria Magdalena als Erste, Johannes, der „Jünger, den Jesus liebte“, und Simon Petrus – wie sie zum Glauben an die Auferstehung kommen. Die Frage ist, ob das der Königsweg ist oder ob es nicht viele Wege gibt und sie, diese drei, uns beispielhafte Wege sind. Der Herr, er ist auferstanden, das Grab ist leer. Das wollen diese drei Gestalten uns mit auf den Weg geben. Auf unterschiedliche Weise geht Gott diesen Weg auf diese drei Zeugen der Auferstehung zu. Und so dürften wir wahrlich diesem Zeugnis auch Glauben schenken.

Heute morgen, am Ostertag, hören wir noch einmal dieses Evangelium von der Auferstehung. Gestern war es das lukanische Evangelium, das uns die Auferstehung Jesu schildert, und nun ist es Johannes. Und es ist gut, dass wir das Evangelium in seiner ganzen Bandbreite hören können, egal ob es von Lukas stammt oder von Johannes oder von den anderen Evangelisten. Denn jeder einzelne von ihnen hat eben seinen besonderen Blick auf dieses Geschehen und schildert Einzelheiten. Der Schlüsselsatz gestern war wohl: „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?“ (Lk 24,5) Und auch heute gilt dieser Satz noch einmal.

Osterkerze 2016, Vogtareuth
Osterkerze am Ostersonntag in St. Emmeram

Maria von Magdala, sie ist die Erste, die, getrieben von der Unruhe ans Grab läuft. Sie möchte nochmals zu ihrem Herrn und Meister kommen, ihm den letzten Liebesdienst erweisen und ihn salben. Vielleicht ist es aber einfach auch die Unsicherheit in ihrem Herzen, und sie will es nicht wahrhaben, dass man ihr ihren Herrn genommen haben soll; es ist wie ein schlechter Traum, der nun zur Realität geworden ist: Der, dem sie ihr Leben verdankt, er soll tot sein und ist nicht mehr. Er, der das Leben schenkt, er bleibt aber nicht im Tod, sondern er steht vom Tode auf, er besiegt den Tod. Aber das weiß sie eben noch nicht! Und so wird sie zur ersten Zeugin dafür, was am Grab geschehen ist.

In aller Herrgottsfrühe macht sich also Maria Magdalena auf und eilt zum Grab. Vor Furcht sieht sie wohl: Der Stein des Grabes, er ist weggewälzt. Und tiefe Angst macht sich breit: Was ist mit ihrem Herrn und Meister geschehen? Wer hat sich an seinem Grab zu schaffen gemacht? „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?“, dieser Satz, er ist hier ganz ausschlaggebend. Aber Maria, sie sucht eben ihn, den Lebenden, noch bei den Toten. Ihr Herz ist noch ein Herz aus Stein, das noch nicht verwandelt wurde, das noch nicht die Auferstehung fassen kann.

Aber dennoch, sie läuft zu den anderen Jüngern zurück und berichtet, dass das Grab leer ist – eine entscheidende Aussage. Und nun kommen zwei weitere Zeugen ins Spiel. Simon Petrus, der ältere, und Johannes, der Lieblingsjünger Jesu. Simon Petrus, aufgrund seines Alters, kommt aber nicht zu schnell zum Grab bei diesem Wettlauf der beiden. Aber Johannes, er lässt ihm dennoch, als dem Älteren, dann den Vortritt. Es wird nur berichtet: Er sieht das offene Grab, und er wartet. Aber das ist auch eine entscheidende Geste. Und Petrus, er betritt als Erster dann von diesen beiden Jüngern das Grab. Aber auch hier versagten ihm die Worte; was er sieht, er kann die Zeichen nicht recht deuten. Johannes, der Evangelist, er schildert es ausführlich, wie das leere Grab ausgesehen hat: auf der einen Seite die Leinenbinden, zusammengewickelt, und das Schweißtuch Jesu, das auf dem Gesicht gelegen hat, „an einer besonderen Stelle“. Ja, das ist das reine Schauen des leeren Grabes. Ein Schauen, das nachdenklich stimmt, ein Schauen, das aber auch noch nicht erkennt, was hier geschehen ist: Der Tod, er ist besiegt, das Leben hat gewonnen. Aber das – das erkennt als Erster derjenige, der es als Letzter schildern kann: Johannes.

Er, der draußen am Grab stehen bleibt, er versteht im Nachsinnen, was hier geschehen ist. Das „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?“, das wägt er im Herzen, könnte man sagen. Und so wird es ihm klar: Den Lebenden finden sie nicht im Grab, denn er musste vom Tode auferstehen. Im stillen Verweilen über diesem Gedanken eröffnet sich in ihm dieser neue Raum, der sein Herz zum Brennen bringt, der das Herz wandelt: aus einem Herz aus Stein in ein Herz aus Fleisch. Mit dem inneren Auge erkennt er, dass der Herr wahrlich auferstanden ist. Johannes, der Evangelist, er schildert es mit vier eindrücklichen Worten, wie es dem Lieblingsjünger hier ergeht: „Er sah und glaubte.“ Das allein reicht dem Lieblingsjünger. Nun, wo er diese Worte im Herzen erwogen hat, versteht er das leere Grab, das offene Grab auch zu deuten. Und so wird er zum eindrücklichsten Zeugen für die Auferstehung Jesu.

Die biblischen Auferstehungszeugnisse, liebe Schwestern und Brüder, sie sind Begegnungserlebnisse und versuchen, das in Worte zu fassen, was eigentlich unfassbar ist. Ein jeder der Evangelisten schildert es auf seine Art und Weise, und jeder schildert es mit großer Mühe, weil es ja nur begrenzte Möglichkeiten gibt – Möglichkeiten, weil sie von der Sprache eingeschränkt sind, Möglichkeiten, die unser Verstand nur bietet. Doch was vor fast zweitausend Jahren aufgeschrieben wurde, diese Botschaft, sie hat sich gehalten, unverfälscht und unverändert. Was wir heute hören, das haben damals auch die Jünger zu hören bekommen. Es ist ebendieser Satz: „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?“

Der Herr ist auferstanden – diesen Satz müssen wir uns vor Augen führen, diesen Satz müssen wir auch im Herzen erwägen, um daran glauben zu können. Es ist die Wirklichkeit Gottes, die Wirklichkeit dieses Ereignisses, dass sich dieser Bericht über zweitausend Jahre fortgesetzt hat. Er bahnt sich seinen Weg, der Bericht der Auferstehung Jesu, er bahnt sich den Weg in die ganze Welt, und es ist der Bericht, dass das Leben siegt. Das Gott nicht den Tod für die Menschen, sondern dass er das Leben will. Und das ist die österliche Botschaft. Gegen alle Versuchungen des Bösen, gegen alles, was uns in der Welt immer einschüchtern will, gegen alle Gewalt, gegen alle Verzagtheit, gegen alle Not und Angst. Gott, er will das Leben, und so gilt: „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?“. Der Herr ist wahrhaft auferstanden. Der Herr lebt und er schenkt und das Leben. Wir haben das Leben in Fülle. – Amen, halleluja!

Konrad Roider

Veröffentlicht in Glauben, Vogtareuth.