Joh 20,1–18

Osterpredigt 2014

Wenn es um den Tod geht, verstehen Verwaltungen keinen Spaß. So findet sich im Bundeswehrgesetz der Satz: „Der Tod stellt aus versorgungsrechtlicher Sicht die stärkste Form der Dienstunfähigkeit dar.“ Noch besser ist das Bundessteuerblatt mit der Feststellung: „Es ist nicht möglich, den Tod eines Steuerpflichtigen als dauernde Berufsunfähigkeit zu werten und demgemäß den erhöhten Freibetrag abzuziehen.“ Den Vogel aber schießt ein Kommentar zum Bundesreisekostengesetz ab: „Stirbt ein Bediensteter während einer Dienstreise, so ist damit die Dienstreise beendet.“

Wir sind in dieser Nacht versammelt, um ein Geheimnis zu feiern: Das Grab, in das sie Jesus legten, stellte es dar: Seine Dienstreise war nun wirklich an ihr Ende gekommen, nach nur drei Jahren öffentlichen Wirkens.

Grabgedenkstein Entmoser in St. Georg, Straßkirchen
Die Auferstehung Christi in St. Georg, Straßkirchen. Der Entmoser-Grabgedenkstein (1579) versteckt sich hinter dem Aufgang zur Kanzel.

Wir sind in dieser Nacht versammelt, um ein Geheimnis zu feiern. Es heißt nämlich, dass Jesus von den Toten auferstand und lebt. Es heißt, dass er den Tod besiegte und dem ewigen Gesetz des Werdens und Vergehens entkam. Es heißt, dass er all das nicht nur für sich durchmachte, sondern damit den Anfang setzte, den Anfang, dem als Ende der Sieg über den Tod für jeden steht.

Wir sind in dieser Nacht versammelt, um dieses größte Geheimnis zu bestaunen und zu feiern.

Die Mitte der Nacht ist der Anfang des Tages; die Mitte der Not ist der Anfang des Lichts.

Diese Worte stammen aus einem alten Kirchenlied, einem Hymnus aus den ersten christlichen Jahrhunderten.

Es ist noch Nacht, als sich die Frauen auf den Weg machen. Es ist noch dunkel, aber die Sonne kitzelt schon den Horizont. Die ersten Strahlen leuchten schon über den Rand der Welt. Es wird schon Tag, die Mitte der Nacht ist schon überwunden. Das Dunkel hat längst seinen Zenit überschritten. Sie gehen mit schweren Schritten, noch müde vom Schlaf. Sie gehen traurig, niedergedrückt von den Ereignissen. Sie tragen Gefäße mit kostbarem Salböl in den Händen und frische Leinenbinden.

Sie gehen zum Garten zu Füßen von Golgota. Ein Grab wollen sie sehen. Einen Toten wollen sie beweinen. Und ein wenig auch sich, weil mit diesem Menschen, den sie hier bestattet haben, auch ein Stück von ihnen begraben liegt. Sie haben ihm vertraut, ihm geglaubt. Gräber sind nicht Orte der Hoffnung. Sie sind machtvolle Demonstrationen des Endes. Und so gehen Maria von Magdala und die andere Maria dem Ende entgegen. Dem Tod wollen sie so begegnen und vielleicht daran denken, dass sie selbst auch einmal in einem solchen Grab enden werden, dass der Tod auch sie besiegen würde.

Die Mitte der Not ist der Anfang des Lichts.

Aber lassen wir die Frauen in ihrer Trauer gehen und stören wir sie nicht weiter. Sie haben ihre eigenen Gedanken, ihre eigenen Sorgen. Sie können ja noch nicht wissen. Sie sind noch viel zu sehr in ihrer Trauer gefangen. Und selbst wenn es ihnen jemand erklärt hätte … aber das hat Jesus ja eigentlich getan. Aber mal ehrlich: Hätten wir es geglaubt, wenn wir dabei gewesen wären? Hätten wir es für möglich gehalten? Und selbst wenn wir es gesehen hätten, den Moment der Auferstehung. Hätten wir es verstanden?

Ich glaube nicht. Aber ich glaube auch gar nicht, dass man da etwas wirklich hätte sehen können. Niemand hat zugeschaut. Die Welt schlief, als Jesus mit dem Tod abrechnete. Keiner hat’s gesehen. Hätte man es filmen können, wurde einmal ein Theologe gefragt? Hätte es das ZDF in den Frühnachrichten zeigen können? Nein, so die Antwort, der Film wäre wohl völlig überbelichtet gewesen. Keiner hat es gesehen, dass Jesus auferstand. Darum ist es auch völlig unsinnig, nach Beweisen zu fragen. Dieses Geschehen sprengt alles Dagewesene. Es übersteigt jedes Gesetz, jede Ordnung der Welt. Während die Frauen zum Grab wandern, geschieht es. Während sie auf dem Weg sind, verändert Jesus alles.

Seine Kreuzigung war ein Nein der Welt zu seiner Botschaft. Jeder Hammerschlag, der die Nägel tiefer in ihn drückte, war ein Nein. Nein, deine Botschaft von einem Gott, der uns so leidenschaftlich liebt, ist Lüge. Nein, es gibt keine Hoffnung, dass Schuldige neu anfangen dürfen! Nein, wer unten ist, bleibt unten, und wer draußen ist, bleibt draußen. Nein, der Tod hat das letzte Wort. Nein, alles wofür du gelebt und gewirkt hast, Gekreuzigter, alles, vom Anfang bis zum Ende, durchkreuzt, durchbohrt, vernichtet, verflucht, aus und vorbei. Ein toter Jesus steht für erstorbene Hoffnungen, ein toter Jesus ist das Ende all dessen, was er in diese Welt trug: Vergebung, Heilung, Neuanfang, Würde für die Kleinsten und Schwächsten, Leben, auch über den Tod hinaus.

Die Frauen sind in der Zwischenzeit beim Grab angekommen. Sie haben sich gefragt, wer den Stein wegwälzen könnte. Eine kleinliche Frage, zugegeben. Aber eben nur kleinlich, wenn man weiß, was da drinnen gerade passiert ist. Aber – Gott sei Dank – ist das Ganze ja kein Problem mehr. Ein Engel erschien, wälzte den Stein weg und setzte sich darauf. Jetzt kann es nicht mehr verborgen bleiben. Jetzt wird alles enthüllt. Das Tor steht offen, weit offen. Aber es ist nicht das Tor des Todes, nicht das Tor zur Unterwelt, nicht Verdammnis oder Schuld oder endloses Leid. Es ist das Tor zum Leben, das offen steht, das Tor zum Himmel, das Tor zu Gott. Er hat es aufgetan. Er hat es sich erkämpft. Und er hat es uns erkämpft.

Tritt ein, Mensch, der du nach Antworten suchst. Schau in das leere Grab, ob du dort etwas findest, das dich berührt. Sieh die Stelle, wo er gelegen hat! Sieh die Leinenbinden, mit denen er umwickelt war. Er ist nicht hier! Suche ihn nicht bei den Toten! Der Tag ist angebrochen, das Licht geht auf. Es strahlt hell! Denn es bescheint das Unglaubliche, das Wunderbare. Es bescheint den Tod des Todes und den Sieg des Lebens.

Wenn Jesu Kreuzigung das Nein war, dann ist Ostern das Ja! Jesus behält in der Auferstehung das letzte Wort. Ja, du bist ein von Gott geliebter Mensch. Ja, es wird dir vergeben. Ja, es gibt einen Gott, der lebt und für uns da ist, der uns liebt und auf uns schaut. Er kann das Leid nicht immer verhindern, aber er leidet mit. Er geht den Weg mit uns bis zur letzten Konsequenz. Aber er geht auch über diese Konsequenz mit uns hinaus.

Tritt ein und glaube. Glaube an das Leben, das dir geschenkt ist! Glaube an den Himmel, der dir offen steht! Glaube an Gott, der mit offenen Armen wartet und lacht. Heute lacht er. Weil alles neu wird und schöner und heiliger und weil wir alle ein Teil davon sein dürfen.

Die Nacht ist vorbei, der Tag ist da.
Christus ist erstanden, halleluja!
Er ist wahrhaft auferstanden, halleluja!

Tobias Hartmann

Veröffentlicht in alle, Glauben.

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