„Zur Not ist auf der Orgelempore auch noch Platz“, beruhigte Felix Spreng die Wartenden, die sich kurz vor Konzertbeginn noch bis vor die Tore von Mariä Himmelfahrt stauten, weshalb etliche um ihre Abendkarten fürchteten. So blickten Chor und Orchester am Abend des 1. Oktober in eine randvolle Kirche. Und die Zuhörer blickten auf einen ebenso randvollen Altarraum.
Tatsächlich hätte nicht auch nur eine einzige Piccolo-Flöte noch Platz gehabt. Der Kontrabass war bereits halb ins Seitenschiff ausgelagert, und die Solisten bahnten sich mit vorsichtigen Schritten ihren Weg durch die Notenständer. Für Händels Feuerwerksmusik war dieses figurenreich barocke Tableau zwar gerade die Minimalbesetzung, dennoch bekam das Publikum in Prutting schier die Druckwelle zu spüren, als die Ouvertüre ihre ersten Böller zündete. Dabei dirigierte Felix Spreng durchaus sparsam, und das sichere Orchester, in dem gestandene Profis neben eigenen Pruttinger-Schwaberinger Kräften wirkten, gab seinem Zutrauen ganz recht: ein sehr sorgfältiges Streicherensemble, das obendrein fein auf den Übergang zu den ebenbürtigen Holzbläsern achtete (und umgekehrt), dazu pointierte Trompeten – da passte praktisch alles, von den Fanfaren über die Paukenwirbel bis zum Fagott. Dieses, nur als Beispiel, klang aus meiner Warte von rechts unten stellenweise ganz prominent heraus. Solche kuriosen Verschiebungen im Klangbild dürfte es, je nach Sitzplatz, etliche gegeben haben, was aber zweifellos der Positionierung und dem akustisch gebrochenen Raum von Mariä Himmelfahrt geschuldet ist.
Die Händel-Arie „Singe, Seele, Gott zum Preise“ trugen Fred Ullrich (Violine) und die Sopranistin Johanna Weiß im einfühlsamen Zusammenspiel vor. Die Bach-Kantate „Jauchzet Gott in allen Landen“ war vollendeter Schluss- und Höhepunkt, was auch dem herausragenden Zoran Curovic an der Trompete zu danken war. Dessen weicher, aber wundersam klar artikulierter Ton ist ein Erlebnis erster Güte.
Zu den Solisten ist natürlich auch Felix Spreng selbst zu zählen, der uns Händels Orgelkonzert Nr. 2 in B-Dur (HWV 290) als virtuoses Kabinettstück gab – danach übernahm seine Kirchenmusikkollegin Elisabeth Freiberger wieder den Spieltisch –, außerdem der Bariton von Lucas Wartenburger bei Buxtehudes „Alles, was ihr tut, mit Worten oder mit Werken“. Dort kam auch der Kirchenchor Prutting-Schwabering zum Zuge, dem wir insgesamt gerne mehr Gelegenheit gegönnt hätten. Gegönnt hätten wir diesen großen Abend auch Guido Seidenberger; ihn musste Diakon Hans Mair, der die einleitenden Begrüßungsworte sprach, allerdings entschuldigen, denn unser Pfarrer, es ist ja sonst keiner da, zelebrierte zeitgleich den Festgottesdienst zum Erntedankfest in Zaisering.
Das Publikum bedachte die große Leistung der Beitragenden zu Recht mit anhaltendem Beifall – es ist tief beeindruckend, welches technische Niveau ein Projektensemble auf dem Land erreichen und durchhalten kann. Die MusicaInnRegio-Veranstaltung „Festliche Kirchenmusik des Barock“ fand vollkommen zu Recht im Rahmen der Reihe Musiksommer zwischen Inn und Salzach statt. Ich selbst stehe aber, weil Barockmusik doch immer Anlassmusik ist und kaum autonomes Kunstwerk, bei solchen Konzerten stets mit einem Seufzer auf, wie bei einem Hochzeitsmarsch, der ohne Braut bleibt. Es ist so: Ich vermisse das Feuerwerk. Obwohl ich weiß, dass man in Mariä Himmelfahrt keines abbrennen darf und dass ich auf diesen Anlass verzichten muss. Und den noch größeren Anlass zum Jubeln, Jauchzen und Singen hat dieser Abend, glaube ich, in der Aufregung schier übersehen. Dabei war der liebe Gott doch die ganze Zeit da.
Florian Eichberger
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