Zum Palmsonntag

Meine Überlegungen zur aktuellen Situation und zum Palmsonntag möchte ich verbinden mit zwei Erfahrungen, die ich kĂŒrzlich bei meinem Urlaub in Australien gemacht habe.

Da ist zunĂ€chst der Mann, der uns an der Rezeption einer Ferienanlage empfangen hat, mit der Bemerkung „I am very busy“ („Ich bin sehr beschĂ€ftigt“). Doch der Ansturm auf die Ferienanlage hielt sich in Grenzen. Und der Mann an der Rezeption wirkte bei aller GeschĂ€ftigkeit sehr entspannt – er nahm sich viel Zeit, um uns alles rund um den Aufenthalt zu erklĂ€ren.

Wir sind derzeit in der Corona-Krise auch in dieser neuen Art und Weise „very busy“. Unsere GeschĂ€ftigkeit, die uns vor der Krise geprĂ€gt hat, wurde jĂ€h unterbrochen. Und so wurden wir in einen Zustand versetzt, den die Fastenzeit eigentlich fĂŒr uns möchte: den gewohnten Alltag unterbrechen. Das kann sehr bitter sein; viele arbeiten derzeit an der Grenze ihrer Kraft, viele haben Angst um ihr Leben, um ihre Existenz. Wir alle mĂŒssen neue, oft anstrengende Wege finden und die meisten zu Hause bleiben im Sinne von Karl Valentin („Heute mach ich mir eine Freude und besuche mich selbst â€Š Hoffentlich bin ich daheim“). Ich wĂŒnsche uns allen, dass wir in diesem Ausnahmezustand auch besondere Erfahrungen machen können:

  • EinĂŒben von RĂŒcksichtnahme und Toleranz (beides notwendig, wenn man lĂ€nger zu Hause gemeinsam viel Zeit verbringt).
  • Es braucht aber auch RĂŒckzugsrĂ€ume: Das Alleinsein kann mich zum Nachdenken anregen; kann mir dabei helfen, die PrioritĂ€ten in meinem Leben neu zu ĂŒberdenken.
  • Vielleicht höre ich in der neu gewonnen Ruhe und Stille auch die Stimme Gottes deutlicher und auf eine ganz neue Weise.
Bild: Erez Attias – Unsplash
Bild: Erez Attias – Unsplash

Doch nun zu einer zweiten Erfahrung, die fĂŒr mich ganz viel mit dem Palmsonntag zu tun hat. Bei der Heimreise aus Australien war der Aufenthalt im Terminal des Flughafens von ZĂŒrich ein krasser Gegensatz zur GeschĂ€ftigkeit, Freundlichkeit und Lebensfreude, die die Menschen in Australien ausgestrahlt hatten: Da waren menschenleere GĂ€nge, geschlossene GeschĂ€fte (einen Kaffee zu bekommen war bereits eine große Herausforderung), alle paar Minuten eine Durchsage mit Verhaltensregeln („Abstand halten!“), patrouillierende Polizisten.

Das beschreibt fĂŒr mich sehr gut den Übergang, den der Palmsonntag markiert: Da ist zunĂ€chst der Einzug Jesu in Jerusalem. Die Stimmung ist gut, ja euphorisch. Jesus wird mit dem Ruf „Hosianna“ umjubelt – man wedelt dazu mit den Palmbuschen und legt sie vor Jesus zu FĂŒĂŸen. Und dann hören wir am Palmsonntag die Leidensgeschichte Jesu: Die Stimmung kippt. Es wird immer einsamer um Jesus. Hass schlĂ€gt ihm nun entgegen. Er wird verspottet, gequĂ€lt und schließlich hingerichtet. Unter diesem Eindruck steht die Karwoche.

Doch die Karwoche hĂ€lt noch eine zweite Wende fĂŒr uns bereit: den Übergang vom Karfreitag auf Ostern hin!

Diesen Übergang wĂŒnsche ich uns auch in der derzeitigen Krise: Ein Psychologe machte kĂŒrzlich darauf aufmerksam, dass nach der ĂŒberstandenen Pandemie sich eine neue, tiefere Lebensfreude breit machen werde – dass wir Dinge, die bisher selbstverstĂ€ndlich waren, wieder neu schĂ€tzen und intensiver erleben: z.B. einen Besuch im Kino oder den Gang mit Freunden zur Eisdiele oder die gemeinsame Feier der Gottesdienste in der Pfarrgemeinde!

In diesem Sinne wĂŒnsche ich Ihnen im Namen aller Seelsorger im Pfarrverband eine intensive, gesegnete Karwoche!

Ihr Pfarrer
Guido Seidenberger


Evangelium: Mt 21,1–11

1. Lesung: Jes 50,4–7

2. Lesung: Phil 2,6–11

Passion: Mt 26,14–27,75

[An dieser Stelle befanden sich ursprĂŒnglich die Biteltexte aus der EinheitsĂŒbersetzung der Heiligen Schrift (2016). Die Rechte daran hĂ€lt die Katholische Bibelanstalt GmbH, Stuttgart, die die Wiedergabe fĂŒr derartige Zwecke befristet genehmigt hatte. Wir haben die Texte, ebenso wie die Hausgottesdienstvorlagen, die diese Passagen ebenfalls enthalten, mittlerweile wieder gelöscht, weil das Risiko einer Urheberrechtsverletzung jetzt zu groß ist. (red)]

Veröffentlicht in Glauben.

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