Durch Tür zu Tür gehen

Im Grand Séminaire hinter der Kathedrale von Le Puy-en-Velay zum Beispiel bekommen Pilger einen Zifferncode für den Eingang und einen Schlüssel fürs Zimmer, damit sie hineinkönnen, in Spanien schließen die Herbergen nach dem Essen, wenn draußen die Restaurants öffnen, und im ersten Stock über einer französischen Sportsbar waren wir schon ab 20 Uhr eingesperrt, denn dann schaltet im Geschäft darunter die Alarmanlage scharf.

Tür am Jakobsweg bei Montfaucon-en-Velay, Auvergne

Türen sind immer dann spannend, wenn man hinein oder hinaus möchte. Man sieht ihnen oft nicht an, ob sie aufgehen werden. Auf dem Jakobsweg ist es gut, da gibt es unterwegs keine Türen, der Weg geht den Tag über unter den Füßen dahin. Am Anfang und am Ende des Tages aber stehen Türen. Das ist an normalen Tagen nicht viel anders. Auch dort gehen wir morgens aus der Tür, die wir abends wieder aufschließen. Doch das ist die eigene Tür und nichts Besonderes.

Am Morgen verabschieden wir uns dankend. Die Leute wünschen uns bon chemin oder buen camino, wir gehen aus der Tür und sind auf dem Weg. Am Abend müssen wir manchmal warten, bis jemand kommt, um uns die Tür zu öffnen; dann sind wir froh. Am Morgen sind wir auch froh: weil wir wieder auf dem Weg sind. Solange wir auf dem Weg sind, sind wir auf dem Weg zu Hause, hinter keiner Tür, unter keinem Dach. Es geht über Kreuzungen, Ampeln, durch Viehgatter. Aber Türen?

Es gibt zwar schon Türen, rechts und links des Weges, aber die längste Zeit ist Gehen Einkehr genug. Viele Türen sind auch geschlossen, weil dahinter niemand zu Hause ist. Das ist besonders bitter, wenn es eine Kirche oder der Bäcker ist, denn wir wären gerne eingetreten. Zur Not reicht zum Essen aber noch das Brot von gestern. Vor allem aber macht der Tag durstig. Viele Pilger tragen darum, wenn es heiß ist, viel Wasser mit sich. Der Schweiß steht ihnen auf der Stirn, denn der Weg ist heiß und das Wasser ist schwer, und morgen, nehmen sie sich vor, nehme ich noch mehr Wasser mit, damit es morgen nicht so schwer wird. Die gute Nachricht: Es gibt einen Wasserhahn auf jedem Friedhof, und das Tor steht immer offen. Abends denke ich mir, dass es die Leute bestimmt freut, wenn jemand zu ihnen kommt, der froh ist.

Florian Eichberger

Veröffentlicht in Glauben.

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