Heute Nachmittag sind wir wieder draußen auf unseren Friedhöfen und denken an unsere verstorbenen Schwestern und Brüder, unserer lieben Angehörigen. Wir erinnern uns ihrer in diesen Tagen mit Wehmut, aber auch mit Freude; an schöne Momente mit Ihnen. Das oftmals trübe Wetter, das den Winter und das Absterben der Natur ankündigt, verbreitet eine ganz eigene Stimmung und scheint unserem Empfinden nach passend für diesen Tag.
Der Festinhalt des Hochfestes Allerheiligen verschmilzt hier oftmals ein wenig mit dem morgigen Allerseelentag. Doch im Weitblick gibt es auch Zusammenhänge dieser beiden Tage, zum einen geht es um die schon vollendeten Toten bei Gott, die Heiligen, zum anderen um die noch nicht vollendeten Toten, unsere verstorbenen Angehörigen. So weist jeder Tag seinen eigenen Charakter auf.
Ich möchte deshalb den Allerheiligentag etwas in der geschichtlichen Entwicklung darstellen:
Das erste Zeugnis für diesen Festtag haben wir im 4. Jh. für den antiochenischen Raum. Johannes Chrysostomos schreibt über den „Herrentag aller Heiligen“, den man am Oktavtag von Pfingsten gefeiert hat. Hier wird schon deutlich, was bei diesem Fest im Mittelpunkt steht: Es sind nicht die Heiligen selbst, sondern Christus! Eine weitere Entwicklung dieses Festes begab sich im 7. Jh., als das Pantheon in Rom in eine Kirche umgewandelt wurde und der Jungfrau Maria und allen Märtyrern geweiht wurde. Der Legende nach wurden hierfür auf Veranlassung Papst Bonifatius IV. mehrere Wägen mit Reliquien von Heiligen aus den römischen Katakomben zum Kirchweihfest hierhin überführt. Auch diese Weihe fand in der österlichen Zeit, nämlich am 13. Mai 610 statt. Auch hier zeigt sich wieder der enge Zusammenhang mit dem Osterfest. Das heißt nichts anderes, als dass Christus im Mittelpunkt des Festes steht.
Doch wie ist nun das Allerheiligenfest aus dem österlichen Kreis und Zusammenhang gerückt oder vielleicht verdrängt worden? – Die irischen Mönche des 7. und 8. Jh. kannten auch schon ein solches Fest zum Gedenken aller Heiligen, welches ursprünglich am 20. April gefeiert wurde.
Doch in der Wende zum 9. Jh. wird dieses Fest dann auf den 1. November verlegt. Der Zusammenhang mit dem Ostergedanken schien im irischen Raum verloren gegangen. Über verschiedene prägende Persönlichkeiten dieser Zeit setzte sich dann allmählich auch auf dem europäischen Festland dieses neue Datum des Allerheiligenfestes durch: Erwähnt sei hier nur Alkuin, ein enger Berater Karls des Großen, Papst Gregor III. oder Ludwig der Fromme. Jedenfalls Gregor IV. hat den Allerheiligentag für die ganze Weltkirche verbindlich auf den 1. November verlegt. Seit dem Jahr 835 wird Allerheiligen in der Westkirche nun am 1. November gefeiert. Somit trennte sich die westliche Tradition von der östlichen, welche den Allerheiligentag noch heute am ursprünglichen Datum, dem Oktavtag von Pfingsten feiert.
Aber unabhängig davon, wann wir dieses Fest feiern, geht es um den Inhalt dieses Festes. Warum feiert man auch für verschiedene Heilige ein solches Fest? Was soll zum Ausdruck gebracht werden? In dieser Feier geht es oftmals um den Nachvollzug der Pascha – des Leidens – Christi. Deswegen eben früher die Nähe zu Ostern. Doch es ist meiner Meinung nicht nur das Leiden, das uns in den Heiligen vor Augen geführt wird. Es ist deren ganzes Leben, das uns zeigt, was es heißt, ein christliches Leben zu führen. Das uns auch zeigt, unter den jeweiligen Lebensumständen für Christus einzustehen. Dieses taten die Heiligen auf verschiedenste Weisen, im Extremfall bis hin zum eigenen Martyrium.
Die Heiligen führen uns in ihrem Leben das Leben Christ vor Augen, sie vergegenwärtigen uns Christus! Man möchte fast sagen, sie zeigen uns, dass ein solches Leben im jeweiligen Heute noch möglich ist und das durch viele Jahrhunderte bis in die Gegenwart. Wer hätte wohl am Beginn des Wirkens einer Mutter Theresa gedacht, dass sie einmal heilig sein könnte. Eher das Gegenteil war der Fall. Doch zum Ende des Lebens hat keiner mehr daran gezweifelt, dass diese Frau eine Heilige ist. Hier sind wir dann auch an dem Punkt, dass das Fest Allerheiligen auch diejenigen miteinschließt, deren Heiligkeit nur vor Gott besteht. Die Grundlage für die Heiligkeit ist durch die Taufe in uns allen gelegt, wie schon der Apostel Paulus sagt. Amen.
Konrad Roider
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