Während bei uns triste Nebelschwaden die Sonne verdeckten, überraschten uns am Chiemsee herrlicher Sonnenschein und spätsommerliche Temperaturen. Der Ausflug der Pfarrgemeinderäte und aller ehrenamtlich Tätigen im Pfarrverband führte uns am 3. Oktober auf die Herreninsel im Bayerischen Meer. Begleitet wurden wir von unserm Pfarrer Guido Seidenberger und von unserem Pfarrvikar Konrad Roider.
Mit dem Schiff setzten wir an die Nordspitze der Insel über, um die Gebäude des ehemaligen Augustinerchorherrenstifts zu besuchen. Außerdem bestaunten wir einen Teil der Chiemseemaler-Gemäldegalerie und die Ausstellung zum Verfassungskonvent von 1948. Frau Dr. Monika Loy (Aign) gelang es mit ihrer erfrischenden und charismatischen Art, uns zu begeistern und uns mit ihren breit gefächerten historischen Kenntnissen während der Führung wie mit einer Zeitmaschine durch die Jahrhunderte der Geschichte zu katapultieren. Ein herzliches Vergelt’s Gott, liebe Monika, für deine Mühen!
Auf der Herreninsel siedelten in vorgeschichtlicher Zeit schon die Kelten, die den Chiemseegott Bedaius verehrt haben sollen. Bereits um 620 wurde auf der Herreninsel ein Kloster von irischen Wandermönchen gegründet, das sich zu einer Missionszentrale entwickelte. Der bairische Herzog Tassilo III. gründete dann im 8. Jh. ein Benediktinerkloster, das jedoch nur kurz Bestand hatte; bereits 788 kam die Abtei durch Kaiser Karl den Großen unter die Oberherrschaft des Bistums Metz in Frankreich, 100 Jahre später wurde Herrenchiemsee an das Erzbistum Salzburg geschenkt. 1125 wurde das Kloster durch Erzbischof Konrad I. in ein Chorherrenstift umgewandelt, das bis zur Säkularisierung Bestand hatte; 1803 wurde es dem bayerischen Staat einverleibt.
Die Aufgabe des Chorherrenstifts dürfte von Anfang an die Seelsorge im westlichen Teil des Erzbistums Salzburg gewesen sein, das damals bis an den Inn bei Zaisering und Vogtareuth reichte. 1215 wurde dann ein eigenes Bistum Chiemsee gegründet, sodass die Klosterkirche zum Dom erhoben wurde, während der Bischof selbst in Salzburg lebte. Die kirchenrechtliche Konstruktion dieses Bistums scheint ausgesprochen komplex gewesen zu sein. Im Laufe der Zeit übernahm das Stift außerdem die Seelsorge in den Pfarreien Eggstätt, Hart bei Chieming, Kirchbichl in Tirol, in Prien, Prutting, Schwabering, Zaisering und Riedering (Vogtareuth gehörte damals zum Kloster St. Emmeram in Regensburg). Nach den Wirren der Reformationszeit und des Dreißigjährigen Krieges, den Zeiten der Pest und vieler Versuche von Neustrukturierungen, Erneuerungen und Umbauten des teilweise maroden Gebäudes kümmerte sich u.a. Domprobst Sebastian Danner um den Fortbestand des Stifts, das im 17. und 18. Jh. nochmals eine Blütezeit erlebte. Die Zahl der Chorherren erreichte unter Danner den Höchststand von 42.
1803 wurde das Stift im Zuge der Säkularisation aufgehoben, verkauft und teilweise abgebrochen, das Inventar wurde zu Spottpreisen verschleudert. Während etliche Räume leider nicht mehr vollständig erhalten sind, blieben die Repräsentationsräume wie das sogenannte Gartenzimmer oder der Kaisersaal im ursprünglichen Zustand erhalten. Sie gehören zu den schönsten barocken Raumschöpfungen des frühen 18. Jh. in Bayern. Die Deckengemälde des Fest- und Speisesaals, deren Farben bis heute an Leuchtkraft nicht verloren haben, zeigen Szenen aus der Bibel. Ebenfalls erwähnenswert ist, dass sich der Bayernkönig Ludwig II. hier eine Wohnung in erstaunlich schlichtem Stil eingerichtet hatte.
Ein letztes Mal geriet das ehemalige Chorherrenstift in der Zeit vom 10. bis zum 24. August 1948 ins Rampenlicht der Geschichte, als dort der von den Ministerpräsidenten der elf westdeutschen Länder berufene Verfassungskonvent tagte und die Leitlinien für das Grundgesetz der BRD ausarbeitete.
Nach einer kurzen Besichtigung der Galerie der Chiemseemaler ging’s um 17 Uhr schließlich zurück zur Fraueninsel. Dort verweilten wir im Gasthaus „Zur Linde“, und zwar in der Fischerstube, wo einst die Chiemseemaler ihren Stammtisch pflegten. Das Original Stammtischschild hängt noch in der Ecke des Gastraums. Nach dem gemütlichen Beisammensein ging es zurück nach Gstadt zur Anlegestelle und zurück ins vernebelte Wochenende.
Doris Heinl
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