Es war eine weise Entscheidung, den Vortrag am 8. November vom Pfarrhaus in den größeren Feuerwehrsaal zu verlegen, der das neugierige Publikum gerade so fassen konnte. Dort machten sich Waheda und Mohammed Khawatme auf, um von Syrien zu erzählen, von Land und Leuten, vom Leben vor dem Krieg.
Die beiden Geschwister, deren Familie 2013 aus Aleppo geflohen und bis nach Vogtareuth gekommen ist, hatten ihre Darstellung sehr gut und überlegt vorbereitet, sie wechselten Bilder und Videos mit Landeskunde und persönlichen Auskünften ab, sie erzählten von den Ferien am Meer und in den Bergen, von der Hauptstadt Damaskus, von den überdachten Märkten in Aleppo, dem Suq, uralt und groß wie eine eigene Stadt in der Stadt, sie zeigten uns Syrien als das Herz der Levante, das klassische Morgenland, wo die Sonne aufgeht – ex oriente lux – und die Religionen zuletzt lange Zeit friedlich miteinander lebten, wo Moscheen neben Kirchen stehen, wo die Menschen in die Arbeit und zur Schule gehen oder studieren (Waheda zum Beispiel Mathematik), Bus und Taxi fahren, im Fußballstadion ihre Mannschaft anfeuern, telefonieren, essen und überhaupt so leben, dass die Antwort auf die Publikumsfrage, wie die Khawatmes denn in Syrien so gelebt hätten, nur lauten konnte: „Ganz normal. Wir haben ganz normal gelebt.“ Und auf die Frage, was nun in Vogtareuth am meisten anders sei: „Alles. Es ist alles anders.“ Ich wünsche mir selbst diese Größe, so klar antworten zu können, wenn einmal eine solche Frage an mich ergeht, ähnlich wahr und ohne Scheu vor dem scheinbaren Widerspruch, aus dem uns ein Licht aufgehen kann – es ist der Krieg, der anders macht.
Aleppo ist mittlerweile, wie so vieles in Syrien, zum größten Teil zerstört, der Suq und das jahrhundertealte Weltkulturerbe, die Firmengebäude, die Geschäfte und Restaurants, die Straßen sind Trümmer, und so viele Menschen, die gelebt hatten, sind jetzt tot. Den Beschluss ihres Vortrags hatten Waheda und Mohammed als eine Serie von Vorher-nachher-Bildern gebaut. Ganz grauenhafte Bilder waren dabei, die jedem, der bei Trost ist, das Herz brechen. Es war danach still.
Es ist Waheda und Mohammed Khawatme hoch anzurechnen, dass sie sich anschließend noch den Fragen aus dem Publikum stellten, auch wenn sie nicht sicher sein konnten, ob das auf Deutsch immer klappen würde. Es klappte, und zwar sehr gut, und zwar ohne die Unterstützung des Sprachkurslehrers, der eigens angereist war und auf seine Arbeit zu Recht stolz sein darf. Sonja Brindl vom Pfarrgemeinderat, der diesen Abend zusammen mit der Gemeinschaft katholischer Frauen und den Landfrauen organisiert hatte, lud abschließend ans deutsch-syrische Büfett, wo der allergrößte Teil des Publikums noch lange miteinander blieb, und das wiederum war noch sehr tröstlich und schön.
Florian Eichberger
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