Randolfo und der eine Ton

Sonderbare Vorlage, hinreißend in Szene gesetzt

Zuerst war das Waldmusical „Randolfo und der eine Ton“ nur als Anlass zum Wiedereinstieg gedacht, nachdem der Kinderchor Vogtareuth 2014 ein halbes Jahr geruht hatte. Am Ende wurden zwei große Aufführungen im Foyer der Schön Klinik daraus (13./14. Juni), beide bestens besucht und zu Recht begeistert beklatscht.

Randolfo und der eine Ton: Ein volles Haus hingerissener Zuhörer
Ein volles Haus hingerissener Zuhörer

Das Stück handelt von dem stummen Jungen Randolfo (Christoph Hofstetter bzw. Korbinian Thalhammer), der mithilfe der Fee Rubella (Maggie Kersten bzw. Lisa Berghammer) und deren Zauberflöte seine Stimme wiedergewinnt und in die Gesellschaft zurückkehrt; irgendwie spielt dabei auch das Zutrauen der Waldtiere eine Rolle, aber das war im Einzelnen nicht ganz leicht nachzuvollziehen. Überhaupt fordern die Rollen den Kindern zum Teil so einiges ab, in rasch wechselnden Stichworten ebenso wie im stummen Spiel, das Randolfo logischerweise fast die komplette Dauer durchhalten muss. Das wohl beste Maß des Erfolgs ist hier das gute Vertrauen, das die Kinder in sich selbst hatten: Auch wer einen Einsatz verpasste, fand ohne Aufhebens wieder hinein.

Schon nach der ersten Aufführung war klar, dass das Projekt von Sandra Hofbauer ein Erfolg war. Als Gesamtleiterin führte sie die gesamte Schar der enorm putzigen Hasen, der Füchse (ein besonders gelungenes Quartett), des Eulen- und des Amselpaars (ein feines Komödienduo) und der Kindergruppe mit sicherer Hand durch die ca. dreiviertelstündige Aufführung. Geprobt hatte mit ihr in Vogtareuth Hedwig Grella, in Zaisering waren Claudia Gassner und Marianne Geidobler die Chorleiterinnen; aus Zaisering kamen auch die mitunter schwierige Headset-Technik und das Bühnenbild, das Hans Poll zusammen mit den Kindern fertigte. Im Orchester waren, vollkommen sicher, Bernhard Geidobler (Bass), Maria Mayer (Querflöte), Theresia Sontheimer (Klavier) sowie Hedwig Grella (Gitarre) zu hören, außerdem Sophie Neugebauer und Julia Dorn (Djembe), die mit erstaunlichem Feingefühl aufpassten, ob die Kinder im Rhythmus blieben. Kurzum: Die Aufführungen waren prima und an beiden Nachmittagen ein ausgesprochen schönes Erlebnis. Nur das Stück selbst gibt mir, nun ja: Rätsel auf.

Die dramatische Vorlage (Musik: Uli Führe, Text: Babette Dieterich) hat in der Grundschulliteratur offenbar ordentlich Lob eingefahren. Vielleicht ist das aus didaktischer Sicht auch richtig, zumindest bringt man viele, auch kleine und kleinste Kinder gut unter. Auf der Bühne möchte ich das Funktionieren eines Stücks, das die Titelrolle zum stummen Spiel verdammt und daher auch etliche Schlüsselereignisse kurz und lautlos abhandelt, doch sehr bezweifeln. Warum wirft Randolfo seine Flöte weg? Ohne Partitur ist das kaum nachzuvollziehen. Semantisch ist die verquere Vorlage, gelinde gesagt, unbekümmert. Der Tod der Mutter z.B. bleibt ohne weitere Funktion. Warum findet die Kinderbande, die Randolfo gehänselt hatte, es eigentlich gut, wenn er wieder sprechen kann? Wozu drängt das Stück die Rhythmik in eine despektierliche Hip-Hop-Ecke und spielt ihr gegenüber „die Melodie“ aus? Was ist an einer Deutschland-sucht-den-Superstar-Arie denn besser? Oder, ganz genau: Was ist an einem einzigen Ton denn besser? Denn mehr bringt Randolfo mit der Zauberflöte ja nicht hervor – aber das langt offenbar. „Ein Instrument lernen lohnt nicht“ – ist das die Moral von der Geschicht? Vermutlich aber soll es darauf hinauslaufen, dass jeder seinen besonderen Ton zur Harmonie beiträgt – das ist, nota bene, freihändig geraten; das Stück selbst gibt so viel Zusammenhang nicht her. Das wäre musiktechnisch freilich auch Quatsch und würde mindestens durch das Orchester Lügen gestraft, ist in den entsprechenden Passagen in der Durchführung tatsächlich nervig und ergäbe am Ende ein Menschenbild, das eher der Ameise ähnelt.

Auch auf die Wertevermittlung möchte ich darum nicht allzu viel geben. Ginge es wirklich darum, jeden Menschen in seiner Eigenart zu würdigen, gefiele mir eher ein Randolfo, der stumm bleibt und Pantomime wird. So aber stellt sich die Vorlage auf den gängigen Standpunkt, der ebenso mitleidig wie rücksichtslos ist: „Ach, der Arme! Er soll so werden wie wir alle.“ Fatalerweise können alle anderen vor allem lärmen. Insofern stimmt es wieder: Im Land der Radaubrüder ist der Eintönige König.

Randolfo und der eine Ton: Dank zum Finale
Dank zum Finale

Im Anschluss an die Aufführungen hatten die Künstlermütter mit Beistand der Schön Klinik Kaffee und Kuchen vorbereitet. Der Erlös und die Publikumsspenden kommen zu gleichen Teilen dem Verein Silberstreifen, dem Jugendfonds Zaisering und dem Orgelbauverein St. Emmeram zugute. „Randolfo und der eine Ton“ werden die Kinderchöre dem Vernehmen nach noch einmal für die Grundschule Vogtareuth spielen; ein konkreter Aufführungstermin ist noch nicht bekannt.

Florian Eichberger

PS: Die Aufführung in der Grundschule findet am 26. Juni statt.

Veröffentlicht in Vogtareuth, Zaisering.

3 Kommentare

  1. Danke Engl für diesen treffsicheren Kommentar!!! Sie sprechen uns (betroffene Kinder, Mamas und Papas und alle die mit gefiebert haben) aus der Seele! Wichtig ist, dass die Freude und der Spass bei den Kindern vorherrscht und die Gemeinschaft gefördert wird. Das heißt DORFGEMEINSCHAFT!!! und aktives Dorfleben von Kindesbeinen an.

  2. Ja, das stimmt, und so ähnlich meine ich es mit „Die Aufführungen waren prima und an beiden Nachmittagen ein ausgesprochen schönes Erlebnis“. Und ja, ich habe tatsächlich nicht verstanden, worum es ging („Nur das Stück selbst gibt mir, nun ja: Rätsel auf“). Oder, um beides mit der Dachzeile zu sagen: „Sonderbare Vorlage, hinreißend in Szene gesetzt“. Auch mit der Profilierungssucht mögen Sie recht haben, das ist schwer selbst zu beurteilen.

  3. Sehr geehrter Pfarrverband,
    wir waren am Samstag bei der o. g. Aufführung und waren begeistert, in welcher Perfektion die Kinder und Musiker das Werk aufgeführt haben. Umso mehr wundert es uns, wie das Stück auf Ihrer Homepage zerrissen wird und ob der Verfasser der Kritik wirklich verstanden hat um was es ging? Die Chorleiterinnen haben in mühevoller und zeitaufwändiger Arbeit mit den Kindern dieses Stück einstudiert, monatelang Töne, Bewegungen, Abläufe und Mimiken geprobt. Alle Kinder haben ihr Bestes gegeben und man hat die Begeisterung der Kinder förmlich gespürt! Aber anscheinend wird ja vermittelt, daß es sich nicht lohnt, ein Instrument zu lernen (Gruppenerlebnis, sich einbringen, seine Fähigkeiten weiterentwickeln, sinnvolle Freizeitbeschäftigung…)?
    Kann man es nicht einfach anerkennen, daß Kinder bzw. Laien in einem Dorf (keine bezahlten Profis in der Staatsoper!!) ein Stück einstudiert haben und dieses erfolgreich dargeboten haben? Der Verfasser versucht, tiefenpsychologisch dieses Stück zu analysieren; Versuchen wir das Gleiche, kommen wir zu dem Entschluß, daß er sich auf Kosten der Chorleiterinnen profilieren und bewußt Stimmung gegen das Stück und seine erfolgreiche Aufführung machen will. Reicht uns denn nicht die Aussage, daß Randolfo trotz Behinderung einer von uns ist?
    Natürlich kann man in jedes Werk etwas hineininterpretieren, aber muß das tatsächlich sein? Vogtareuth sollte froh sein, so engagierte Leute beheimaten zu dürfen.
    Und, Herr Eichberger, beim besten Willen konnten wir keinen Hiphop feststellen, aber da sind wir halt zu wenig wortgewandt und fremdwortfixiert!
    Unser Respekt gilt allen Darstellern der Aufführungen, macht weiter so!

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