Joh 11,17–27

Allerseelentag

Der Ursprung des Allerseelentags am Tag nach dem Hochfest Allerheiligen liegt in der damals großen französischen Abtei von Cluny. Deren Abt Odilo legte im Jahre 998 fest, dass an diesem Tag aller verstorbenen Mitbrüder der Abtei und der von ihr abhängigen Klöster gedacht werden sollte. Das war sozusagen notwendig geworden, weil die besondere Selbstverpflichtung der Mönche, für die toten Mitbrüder nicht nur das Requiem, sondern an den Jahrtagen auch Seelenmessen zu feiern, zu einer unüberschaubaren Fülle von Messopfern geführt hatte, weil es den Mönchen von Cluny wichtig war, das Gedächtnis ihrer Toten nachhaltig zu pflegen.

Allerseelen: Grabkerze auf dem Friedhof Vogtareuth
Grabkerze auf dem Friedhof Vogtareuth

Die Begegnung mit Marta in Betanien und ihr Gespräch mit Jesus erinnern uns an unsere Befindlichkeit in ähnlichen Situationen. Marta verlässt die zu Hause versammelten Trauergäste und eilt Jesus entgegen. Die Beileidsbekundungen der Gäste, bis heute ist es ein fester Brauch im Orient, dass drei Tage nach dem Tod das Haus der Angehörigen für Trauerbesuche offen steht, vermochten ihr vermutlich keinen rechten Trost zu spenden.

Stattdessen eilt sie Jesus entgegen, der unterwegs nach Betanien ist. In ihrer Trauer macht sie Jesus leise, aber unüberhörbar Vorwürfe: „Herr, wärst du hier gewesen, dann wäre mein Bruder nicht gestorben.“ Wer von uns hat nicht schon einmal ähnlich gedacht: Jesus hätte den Unfalltod eines Menschen verhindern können oder sollen; Jesus hätte dieses Massaker oder jenes sinnlose Hinschlachten von unschuldigen Menschen … Jesus hätte dieses Grubenunglück oder jene Naturkatastrophe … Jesus hätte, Jesus sollte, Jesus müsste doch …! Marta aber vertraut, denn sie hofft weiter auf ein Wunder:

„Aber auch jetzt weiß ich: Alles, worum du Gott bittest, wird Gott dir geben.“

Das heutige Evangelium verkündet uns eine der herrlichsten Selbstoffenbarungen Jesu Christi:

„Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben.“

Wenn wir uns selbst auch mit Marta zu den Christusgläubigen zählen dürfen, so gilt es doch immer wieder neu zu verstehen, dass unser Glaube nicht auf ein Ereignis in der ungewissen Zukunft unseres Lebens ausgerichtet ist, sondern sich hier und jetzt in der Begegnung mit Christus ereignet. Amen.

Konrad Roider

Veröffentlicht in alle, Glauben.

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