Als ich den ersten Vers des Evangeliums vom 13. Sonntag im Jahreskreis las (Mt 10,37–42), kamen mir die Worte von Jesus ziemlich heftig vor.
Was wollte Jesus seinen Freunden und was will er uns heute damit sagen? Will er damit sagen, dass die Liebe zu unseren Nächsten, zu unseren Eltern, zu unseren Kindern weniger bedeutsam ist?
Nein, sicherlich nicht!
Welche Botschaft steckt dann in den Worten Jesu?
Bei allem, was Jesus sagt und tut, geht es ihm darum, für uns Weg, Wahrheit und Leben zu sein (vgl. Joh 14,6). Im heutigen Evangelium sagt uns Jesus die Wahrheit und er zeigt uns einen Weg auf, wie wir diese ins Leben umsetzen können.
Für das Gelingen unseres Lebens halte ich die Wahrheit und die Liebe für ganz entscheidend. Ich sage immer wieder gerne: Die Wahrheit und die Liebe sind wie unsere beiden Füße. Leben wir in der Wahrheit und mit Liebe, kommen wir gut in unserem Leben voran.
Worin besteht nun die Wahrheit im heutigen Evangelium? Warum sagt Jesus so klar, dass es in erster Linie darauf ankommt, ihn zu lieben?
Dafür erkenne ich diese Gründe:
- Jesus will uns davor bewahren, dass wir enttäuscht werden. Wenn wir nämlich glauben und hoffen, dass unsere Mitmenschen unsere unendliche Sehnsucht nach Liebe und einem erfüllten Leben mehr erfüllen können als Gott, dann werden wir enttäuscht werden.
- Dahinter steckt eine tiefe Wahrheit: Gott ist vollkommen, und wir Menschen sind unvollkommen. Die Folge davon ist, dass wir unsere Sehnsucht nach grenzenloser und unendlicher Liebe nicht bei unseren Mitmenschen stillen können. Nur bei Gott finden wir eine unendliche und grenzenlose Liebe.
- Infolgedessen kann ich verstehen, warum Jesus im heutigen Evangelium betont, dass die Liebe zu ihm an erster Stelle steht. Da nur Gott uns unendlich und grenzenlos liebt, ist es folgerichtig, Gott den ersten Platz in unserem Leben zu geben und ihn entsprechend zu lieben. Dabei geht es Jesus in erster Linie nicht um ihn selbst, sondern es geht ihm um uns. Jesus will, dass wir nicht enttäuscht werden und dass unsere Freude vollkommen ist (vgl. Joh 15,11).
Ist die Liebe zu unseren Mitmenschen nun weniger wichtig?
Nein, Jesus geht es um etwas ganz anderes: Er will uns wachrütteln und uns aufzeigen, dass gerade aus der Liebe zu Gott eine reine und wahrhaftige Liebe zu unseren Mitmenschen entspringt.
Wie diese Liebe konkret aussehen kann, zeigen uns die letzten Verse des heutigen Sonntagsevangeliums. Die Gastfreundschaft ist ein sehr schöner Ausdruck der Nächstenliebe. Für meine Frau und mich ist es immer wieder ein Geschenk, wenn uns jemand besucht. Und ich habe schon oft die Erfahrung gemacht, dass ich gastfreundlich aufgenommen wurde.
Eine Erfahrung möchte ich Ihnen dazu kurz erzählen:
Als ich 19 Jahre alt war, machte ich mit 20 anderen jungen Menschen einen Abenteuerurlaub in Schweden. Wir fuhren eine Woche lang auf vier selbst gebauten Flößen auf einem Fluss. Am Abend suchten wir uns einen Platz zum Zelten. An einem Tag regnete es jedoch so stark, dass wir nach einer Möglichkeit Ausschau hielten, wo wir im Trockenen den Abend und die Nacht verbringen konnten. So entdeckten wir ein paar Häuser in der Nähe des Ufers. Beim ersten Haus wurden wir abgewiesen. Am zweiten Haus wurden wir freundlich empfangen, und die Bewohnerin bot uns ihren Schuppen zum Übernachten und ihre Küche zum Kochen an. Wir luden sie natürlich zum Abendessen ein, und wir wollten, dass sie am Tisch sitzen konnte. Doch da nicht genügend Platz für alle am Tisch war, zog sie es vor, auf dem Boden zu sitzen, damit möglichst viele von uns, von ihren Gästen, am Tisch sitzen konnten. Daran erinnere ich mich heute noch sehr gerne.
Im heutigen Evangelium erinnert uns Jesus auf eindringliche Weise, wie wichtig es ist, Gott mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit unserem ganzen Denken und mit unserer ganzen Kraft zu lieben (vgl. Mk 12,30). Und gerade aus dieser Liebe zu Gott ergibt sich eine stimmige und wahrhaftige Liebe zu unseren Mitmenschen und zu uns selbst.
Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag und eine gute Woche, in der sich Ihre Liebe zu Gott und zu Ihren Mitmenschen in stimmiger Weise entfalten kann.
Herzliche Grüße im Namen des Seelsorgeteams,
Michael Leberle, Diakon in Ausbildung
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