Am 15. März 2018 kam Dr. Josef Wagner, Leiter des Bildungs- und Exerzitienhauses St. Rupert in Traunstein, ins Pfarrheim Prutting. Für den Zaiseringer was es fast ein Heimspiel. Dafür nahm er die Zuhörer mit ins weit entfernte Land Uz, das näher liegt, als die meisten gedacht hatten.
Als Thema des Abends war „Unschuldiges Leid – Gott, wo bist Du?“ angesetzt. Denn sicher sind die zahllosen Kinder, die verhungern, bevor sie auch nur fünf Jahre alt sind, nicht durch Sünden schuld an ihrem Elend, wie Kurt Kantner in seinen einleitenden Worten betonte. (Er ist zwar mittlerweile von Schwabering in den Pfarrgemeinderat Hl. Blut, Rosenheim, gewechselt, organisiert die Gesprächsreihe Reden über Gott und die Welt mit Unterstützung des Bildungswerks Rosenheim aber dankenswerter Weise weiter.) Verschärft wird die Ausgangsfrage noch durch einen Blick auf die anderen: Warum spreizt sich der böse Nachbar in Sünden und Wohlstand, während mir das Kreuz wehtut?
Dr. Wagner, der Bibelwissenschaftler ist, aber frei spricht und lebendig, oft eindringlich, oft auch sehr lustig, ist ein exzellenter Nahebringer. Was er den Besuchern aus dem Pfarrverband an diesem Abend nahe brachte, ist das Buch Hiob, „die Literatur gewordene Debatte um die Frage ‚Wie ist das mit dem Leid?‘“. Denn das Ausgangsdilemma treibt bereits die Jahrhunderte vor Christus um: Entweder ist Gott lieb, oder er ist allmächtig. Wer darauf eine Antwort versuche, so Dr. Wagner, gerate „in Teufels Küche“. Und er schlug vor, die Fragerichtung umzudrehen. Geht es wirklich darum, unschuldiges Leid zu verstehen? Wie wäre es, wenn man es bestehen könnte?
Das Buch Hiob macht hierzu zwei Ansätze: Zum einen führt es in der Rahmenerzählung Satan in der Rolle dessen ein, „der berufsmäßig misstrauisch ist“. Er darf den „religiösen Hochleistungssportler“ Hiob prüfen. Es ist dieses Verständnis von Leid als ‚Prüfung‘, das sich in der Vergangenheit vor allem durchgesetzt hat (sprichwörtlich „Wen Gott liebt, den züchtigt er“ nach Spr 3,12). Dass das eine hilfreiche Erklärung ist, darf man bezweifeln; dass es nicht tröstet, wissen wir.
Mit dem Bild vom frommen Dulder ist das Buch Hiob aber keineswegs am Ende. Es gibt in den folgenden 40 Abschnitten, in Hiobs Auseinandersetzung mit den drei Freunden und schließlich sogar mit Gott selbst, eine Antwort auf die Frage ‚Wie reagiere ich?‘. Und Dr. Wagner ruft nachdrücklich dazu auf, es Hiob gleichzutun und dieses Buch als „eine einzige flammende Einladung zur Klage“ anzunehmen. Wer (laut!) klagen kann, kann lernen, Leid aushalten. Erst was geäußert ist, macht Trost möglich. Die drei akademisch gebildeten Freunde Hiobs tragen dazu wenig bei. „Nicht vergraben!“, gab Dr. Wagner als Motto aus, „spuck’s aus!“ Dabei dürfen wir – wie Hiob, der laut frevelt und Gott für schlimmer als ein Raubtier hält – sogar unverschämt sein: „Es trifft immer den Richtigen!“
Die anschließende, fast aufgeregte Diskussion zeigte deutlich, dass sich die zahlreich vertretene Gemeinde gern von der Frommen-Dulder-Vorstellung verabschiedete. Und dass das Alte Testament regelmäßig auf Unverständnis bis Entsetzen stößt, speziell in den unerklärten Häppchen bei den liturgischen Lesungen. Dr. Wagner verglich dazu die historische Schriftauslegung mit einem guten Stück Schwarzbrot, auf dem man lange herumkauen muss, bis es genießbar wird und man schmeckt, wie gehaltvoll es ist. Insgesamt sei „die Bibel so vielfältig wie das Leben“, und er hob noch einmal das hervor, was Martin Buber „die Anredbarkeit Gottes“ genannt hat: Sag’s ihm! Denn „alles, was mich interessiert, interessiert diesen Gott auch“. Interesse bedeutet schließlich, wie der Gottesname JHWH, nichts als lateinisch Mittendrinsein, Dabeisein.
Florian Eichberger
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