Ausflug ins Krematorium

Eine Wohlfühlfrage

Das Interesse war groß: Eine ganze Busladung voller Neugieriger aus Prutting, Schwabering, Vogtareuth und Zaisering sowie Söchtenau war der Einladung von Bestattung Brand gefolgt, um sich am 24. November anzusehen, wie das Krematorium Traunstein funktioniert.

In Bayern werden laut Bestatterverband etwa 30 % der Toten begraben, der weitaus größere Rest – von Ausnahmen wie der Körperspende an die Anatomie abgesehen – wählt die Form der Feuerbestattung, also das Verbrennen, das eigentlich mehr ein „Verglühen ist. Denn der Leichnam wird in den Öfen, wie sie in Krematorien verwendet werden, gar nicht direkt den Flammen ausgesetzt, sondern einer enormen Temperatur von zunächst ca. 1000 °C – wobei freilich der Holzsarg sofort Feuer fängt.

Krematorium Traunstein
Kontrollblick in die Brennkammer

Es sind Dinge wie diese, bei denen bewusst wird, dass unsere Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Bestattungsform mitunter an Einzelheiten hängt, die unsere Vorstellung prägen. Ein anderes Beispiel: Die eigentliche Urne (Aschekapsel) ist aus einem Verbundstoff, der sich in der Erde nach wenigen Jahren zersetzt – bei dieser Information war etlichen die Erleichterung anzusehen, denen der Gedanke, auf Dauer in einer Blechbüchse eingeschlossen zu sein, offenbar Unbehagen bereitet hatte.

Die erste Überraschung in Traunstein war aber, dass das Krematorium gar nicht als solches zu erkennen ist. Von außen sieht es aus wie die übrigen Friedhofsverwaltungsgebäude auch. Und von innen macht das Haus einen hellen, freundlichen Eindruck. Hinter den beiden Öfen, also dort, wo die Asche entnommen wird und im Nachgang noch verbackene Stücke zerstoßen werden, erinnern die blanken Edelstahlanlagen sogar eher an einen modernen Molkereibetrieb oder dergleichen. In Traunstein geht ausnahmslos alles in die Urne, auch Implantate, die – bei größeren Teilen – sogar mit Spezialwerkzeug zerkleinert werden. Damit es keine Verwechslungen gibt, begleitet ein feuerfester Schamottstein mit eingeprägter Nummer die Verstorbenen.

Besuch im Krematorium Traunstein

Den meisten Raum nimmt im Hintergrund die Emissionsfilteranlage ein, die dafür sorgt, dass „die Luft am Kamin sauberer als auf der Straße“ ist. Tatsächlich hat die Feuerbestattung Traunstein – sie ist eine der ganz wenigen privat betriebenen Anlagen in Deutschland – große Anstrengungen unternommen, den Betrieb mit Biogas, Fotovoltaik und Wärmerückgewinnung klimaneutral zu gestalten. Derzeit wird außerdem ein dritter Ofen gebaut, damit auch in den Wartungsphasen die nötigen Kapazitäten verfügbar sind.

Weil die Gruppe so groß war, wurde sie zum Start aufgeteilt: Der eine Teil begann die Tour in der logischen Abfolge von Anlieferung, Totenruheraum, Verabschiedung und Kremierung bis zur Aschekapsel hinter den Kulissen; der andere Teil vollzog diese Schritte in umgekehrter Reihenfolge nach. Im Trauerfall bleiben die Angehörigen freilich im schlicht gehaltenen Verabschiedungsraum hinter einer Glasscheibe, die zunächst blickdicht getrübt ist und sich erst klärt und den Blick freigibt, wenn der Sarg einfährt.

Als die beiden Gruppen schließlich wieder zusammengefunden hatten, zeigte sich, dass die Leute sich kaum lösen mochten und immer noch allerhand Fragen hatten, die Sandra Hofer und Dietmar Witt geduldig beantworteten; auch Brand-Juniorchef Markus Mühlbauer war noch eifrig gefragt – Hildegard Mühlbauer, die als Köchin Theres rechtzeitig zurück im „Graf Schorschi“ sein musste, war zu diesem Zeitpunkt fast schon unterwegs Richtung Theater. Hätte Auszubildende Sophia Gratz uns nicht irgendwann zum Gruppenfoto postiert, wer weiß, ob wir überhaupt zum Wochinger-Bräu gelangt wären, wo wir das Erlebte noch in der Runde ausratschten, bevor es schließlich durch den immer heftigeren Neuschnee zurück nach Prutting ging. Ihnen allen sei für diesen sehr eindrücklichen Tag herzlich gedankt.

In den Wirtshausgesprächen und noch im Bus zeigte sich auch, dass die Feuerbestattung die Fantasie mit ganz besonderen Fragen beschäftigt. Das sind weniger geistlich-theologische – die Feuerbestattung ist katholischen Christen seit 1963 offiziell erlaubt, entscheidend ist heute eher, dass die letzte Ruhestätte namentlich gekennzeichnet ist – als solche von Ritus und Verabschiedung. Denn anders als beim Erdbegräbnis können Trauerfeier/Requiem und Bestattung nicht einfach direkt aufeinanderfolgen, weil die Verstorbenen zum Krematorium und wieder zurück transportiert werden. Auch entspricht die Feuerbestattung ja gewissermaßen bereits dem Moment der Grablegung; die Einsetzung der Urne danach erscheint insofern als merkwürdige Dublette. Das wird aber jedes für sich herausfinden müssen; ratsam wäre in jedem Fall – das hat die Fahrt nach Traunstein deutlich vor Augen geführt –, die Gedanken spielen zu lassen. Denn erstaunlicherweise geht es beim eigenen Begräbnis stark darum, womit man sich wohlfühlt.

Florian Eichberger

Veröffentlicht in Pfarrverband.

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