Das nasskalte Wetter war nach den goldenen Oktobertagen gewöhnungsbedürftig. So kamen am 22. Oktober 2017 weniger Besucher und weniger Teilnehmer zum traditionellen Leonhardiumritt nach Leonhardspfunzen, um nach dem Festgottesdienst zum Patrozinium von Pfarrer Guido Seidenberger den Pferdesegen zu erbitten. Dafür fuhr der Zaiseringer Kindergarten St. Vitus gleich mit zwei Gespannen auf.
Unter den festlich geschmückten Wagen, die bis vom Irschenberg her kamen, waren natürlich auch die örtlichen Trachtler vertreten (D’Lindbergler und Unterinntaler), die Pfunzener Wildschützen, die Rosenheimer Polizeistaffel vorneweg sowie etliche Reiterhöfe, und hinter den schweren Kaltblütern spazierten noch die grazilen Deingruber-Esel auf Zehenspitzen vorüber.
Den Feldgottesdienst unter dem Nieselschirm zelebrierte Pfarrer Guido Seidenberger gemeinsam mit Katharina Hauer, begleitet wurden sie von der Blaskapelle Am Wasen mit der Schubert-Messe. Hauer stellte in ihrer eindringlichen Predigt den hl. Leonhard mit den Ketten als Nothelfer und Schutzpatron der Gefangenen, der Bauern und Fuhrleute, des Viehs und der Tiere insgesamt dem hl. Franz von Assisi zur Seite und knüpfte an die Umweltenzyklika „Laudato si’“ an, mit der Papst Franziskus das „Evangelium der Schöpfung“ verkündet: „Der Schöpfer hat nicht nur uns, die Menschen erschaffen, sondern alle Lebewesen und die ganze Welt.“ Sie sind, wie wir, seine Geschöpfe, seine Kreaturen, die er geschaffen hat. Wir sind ihm dafür verantwortlich.*
„[E]s wäre auch irrig zu denken, dass die anderen Lebewesen als bloße Objekte angesehen werden müssen, die der willkürlichen Herrschaft des Menschen unterworfen sind. Wenn die Natur einzig als Gegenstand des Profits und der Interessen gesehen wird, hat das auch ernste Folgen in der Gesellschaft. Die Sichtweise, welche die Willkür des Stärksten unterstützt, hat für die Mehrheit der Menschheit zu unermesslich viel Ungleichheit, Ungerechtigkeit und Gewalt geführt, denn die Ressourcen gehen dann in den Besitz dessen über, der zuerst ankommt oder der mächtiger ist: Der Sieger nimmt alles mit. Das Ideal von Harmonie, Gerechtigkeit, Brüderlichkeit und Frieden, das Jesus vorschlägt, liegt im Gegensatz zu einem solchen Modell, und so drückte er es im Hinblick auf die Machthaber seiner Zeit aus: ‚Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen. Bei euch soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein‘ (Mt 20,25-26).“ (Laudato si’, 82)
Katharina Hauer machte auch auf die jüngste Forschung aufmerksam, die in einer Langzeitstudie zu dem Befund kommt, dass der Insektenbestand seit 1989 um 75 % (!) zurückgegangen ist. Heute, so Hauer, ruft Gott uns beim Namen wie Kyros in der Lesung (Jes 45,1–6), jeden Einzelnen von uns:
„Wer es mit Gott ernst meint, muss sich auch um seine Mitgeschöpfe sorgen. Es darf einem gläubigen Menschen daher nicht gleichgültig sein, wenn in unserem Land in der Massentierhaltung unzählige Tiere unter unwürdigsten Bedingungen gehalten, transportiert oder geschlachtet werden. Und es kann uns als Christen nicht egal sein, wenn durch menschliches Fehlverhalten Jahr für Jahr Tausende von Tier- und Pflanzenarten ausgerottet werden.“
Es waren daher ernste ebenso wie freudige Gesichter, die in den Fuhrwerken und auf Pferderücken den Segen empfingen, nachdem Thomas Aßbichler vom Leonhardiverein den Umritt eröffnet hatte. Anschließend hatte man bei Brotzeit und Bier noch genug Gelegenheit, seine Eindrücke zu vergleichen.
Florian Eichberger
* Am Donnerstag, 26. Oktober 2017, spricht Herrmann Hofstetter, Projektreferent Schöpfungsverantwortung im Erzbischöflichen Ordinariat München, in der Reihe „Reden über Gott und die Welt“ zum Thema „Schöpfung: Geschenk und Verantwortung“: um 20 Uhr im Pfarrheim Schwabering.
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