Jes 52,7–10, Hebr 1,1–6, Joh 1,1–18

Zu Weihnachten feiern wir etwas, das Wirklichkeit geworden ist

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben!

„Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.“ So schlicht und doch ausdrucksstark beschreibt es der Evangelist Johannes, genau das, was wir heute feiern: Gott, er wird Mensch; Gott, er ist Mensch geworden. Seine Liebeszusage an uns Menschen wird Wirklichkeit in der Menschwerdung seines Sohnes.

Der neue Ambo von St. Georg, Straßkirchen
Der neue Ambo von St. Georg, Straßkirchen

Am Anfang der Schöpfung sendet Gott sein Wort und ruft alles, Welt und Zeit, ins Dasein. Die Propheten, sie sind Zeugen des Wortes Gottes, sie rufen es jeweils in ihre eigene Zeit hinein, und so bereiten sie die Menschen vor auf die einzigartige Begegnung mit dem Mensch gewordenen Wort Gottes. Die Lesungen, sie greifen das auch oftmals auf, gerade im Hebräerbrief wird direkt nochmals diese Verbindung klar dargestellt. Und nun, mitten in die Sprachlosigkeit und Ohnmacht des Menschen hinein, spricht Gott sein Wort. In Jesus Christus, so könnte man sagen, ist das Wort nicht nur hör- und vernehmbar geworden, sondern vielmehr: Es ist sichtbar, es ist greifbar geworden, begreifbar.

Und dennoch, damals wie heute, wechseln sich Schweigen und Erklärungsversuche ab. Denn allzu oft sind Gespräche vielmehr eben nur Gerede, mehr wie ein krampfhafter Versuch, das Schweigen totzureden, als wirkliche Kommunikation und Gemeinschaft. Aber in diese Erfahrung hinein, liebe Schwestern und Brüder, Mensch unter Menschen geworden. Paulus, er sagt es, er beschreibt es in der Apostelgeschichte, in Athen auf dem Areopag, in einer seiner berühmten Predigten: Die Menschen sollten Gott erspüren und ihn finden können, und er ist jedem von uns ganz nahe. Gott spricht sich gewissermaßen in seinem Sohn aus, eine neue, eine unbekannte und doch eine vertraute Sprache, die jeder wahrnehmen kann – die jeder wahrnehmen kann, weil ihm diese Sprache ins Herz gelegt ist. Die Dunkelheit, die Angst des Menschen, so könnte man sagen, wird von der Grammatik der Liebe Gottes durchbrochen. Denn wo Sprache nicht offen und ehrlich ist, verliert sie ihre Kraft. Oft genug verbirgt die Sprache aber mehr als das, was sie enthüllt; Sprache, so könnte man auch sagen, ist verräterisch, manchmal in den begleitenden Gesten und Blicken.

Gott, er spricht hinein in unser Gerede und verwandelt es durch seine Gegenwart. So spricht er jeden einzelnen Menschen an, um ihm zu sagen: „Ich liebe dich, du Welt und du Mensch.“ So formuliert es Karl Rahner bereits einmal. Er will auch versuchen, den Menschen in seiner Zeit das Wort Gottes nahezubringen. In Gottes Sprache hören wir aber auch die Antwort auf unsere Sehnsucht. Wir spüren den Widerhall unseres Schreiens in die Nacht unseres Lebens – einen Widerhall, der nicht ein stammelndes Geschrei zurückwirft, sondern – wie eine bergende Antwort – Nähe, Trost und uns eben Gottes Liebe zusagt. Und genau deshalb, liebe Schwestern und Brüder, musste Gottes Wort Fleisch werden: um in unser Menschsein einzutauchen, um uns in unserem Fleisch die Erlösung zu bringen. Er – er, Gott, kam als Wort ins Fleisch, um uns zu zeigen, dass er an unserem Leben, an unserer Sorge Anteil nimmt und keinen vergisst.

So ist Erlösung mehr als die Hoffnung auf eine völlig neue und andere Welt. Sie ist Mut und zuversichtliches Beschenktsein, dass wir all die menschliche Begrenztheit in Gott hinein überwinden können. Mit Gott können wir die Grenzen sprengen. Denn er sagt uns auch zu, dass wir Teilhabe haben an dem Mensch gewordenen Wort Gottes, an seinem Sohn. Deshalb ist er ja Mensch geworden: um uns Anteil zu schenken an seiner Göttlichkeit.

Liebe Schwestern und Brüder, zu Weihnachten feiern wir etwas, das Wirklichkeit geworden ist. Mehr als die vertrauten Lieder, mehr als das, was uns von außen her oftmals auch sehr berührt. Weihnachten ist das Fest der Begegnung, der intimsten Begegnung mit Gott. Weil er in unseren Herzen Mensch werden will aufs Neue. Das ist das Besondere an Weihnachten. Und deshalb ist es jedes Jahr so wichtig, dieses Fest zu feiern. Deshalb ist es auch so wichtig, sowohl in der Heiligen Nacht die berührende Geschichte der Menschwerdung Gottes mit den Hirten, den Engeln und dem Kind in der Krippe zu hören. Und deshalb ist es genauso wichtig, aber auch die Schwere und Tiefe der Bedeutung des Wortes Gottes am ersten Weihnachtsfeiertag mit dem Johannesevangelium zu hören, sich bewusst zu machen: Gottes Wort hat als Fleisch angenommen unsere menschliche Gestalt.

Aber Gott, er ist Mensch geworden und kein Übermensch. Im Kind kam er zur Welt, im Kind, das angewiesen ist auf die Hilfe der Eltern. Aus tiefem Vertrauen, könnte man sagen, hat Gott diese menschliche, diese Kindsgestalt angenommen, und die Eltern haben sich um ihn gesorgt. Genauso sorgt sich Gott um uns als seine Menschenkinder, liebe Schwestern und Brüder. Als Kind, als Mensch hat Gott durch die Geburt Jesu Christi die Welt verändert. Die Dunkelheiten, die es gibt, die Johannes im Prolog beschreibt, sie sind nicht verschwunden, weil er Mensch geworden ist, aber durch sein Eintreten in die Welt ist das alles verändert worden, und wir haben das Licht der Zuversicht Gottes geschenkt bekommen – ein Licht, das wir weitertragen dürfen, ein Licht, wenn es entfacht ist, dann kann es alle Dunkelheit vertreiben. Und so formuliert es Augustinus auch vor über tausend Jahren bereits: „Der tiefste Grund für die Menschwerdung Christi war der Wille Gottes, uns seine Liebe zu zeigen und sie uns nachdrücklich ans Herz zu legen.“

Amen.

Konrad Roider

Veröffentlicht in Glauben, Pfarrverband.