Zum 14. Dezember

Etwas SĂŒĂŸes.

Die dunkle Nacht der Seele

Nach dem heiligen Johannes vom Kreuz

In einer Nacht gar dunkel,
Da ganz mein liebend Herz vor Inbrunst glĂŒhte,
O hochbeglĂŒckte Stunde!
Entschlich mit leisem Tritte
ich meiner tief in Ruh’ versunk’nen HĂŒtte.

Im sichern Schutz des Dunkels
War die geheime Leiter bald erstiegen;
O hochbeglĂŒckte Stunde!
VerhĂŒllt und tiefverschwiegen
Ging ich, und ließ in Ruh’ die HĂŒtte liegen.

O seligste der NĂ€chte,
Da ich beherzt den dunkeln Pfad erklimmte,
Da mich kein Blick erspÀhte,
Kein Licht den Tritt bestimmte,
Als das, das in der innern Brust mir glimmte.

In dieses Lichtes Glanze
Fand sich’rer ich als bei des Mittags Helle
Den Ort, wo meiner harrte
Der Liebste meiner Seele
Dort in der Oed’, an unbetret’ner Stelle.

O Nacht, die mich beglĂŒckte,
Wie lieb ich dich ob Morgenrothes-Scheine;
Dein Dunkel ja mich fĂŒhrte
Zum seligsten Vereine,
Wo ich, in Ihn gewandelt, ward die Seine!

An meinem blĂŒhn’den Busen,
Den unversehrt ich stets fĂŒr ihn bewachte,
Sank er in sanften Schlummer,
Indeß ich fĂŒr ihn wachte,
Und mit dem Cederzweig ihm KĂŒhlung fachte.

Und als Aurorens Athem
Sein lockig Haar begann umherzuspreiten,
Ließ sanft um meinen Nacken
Er seine Rechte gleiten,
Mir schwanden alle Sinn’ in Seligkeiten.

Von heil’ger Wonne trunken,
Durft’ ich mein Haupt auf den Geliebten lehnen;
Die Welt war mir entsunken,
Gestillet all mein Sehnen,
Begraben unter Lilien Harm und ThrÀnen.

Geistlicher Blumenstrauß aus christlichen Dichter-GĂ€rten den Freunden heiliger Poesie dargeboten von Melchior v. Diepenbrock. [1826] 3. Aufl. Sulzbach 1854, S. 172f. (Melchior Ferdinand Joseph Diepenbrock war 1845–1853 FĂŒrstbischof von Breslau, ab 1850 Kardinal.) Bild: Christine Bonholzer.

Veröffentlicht in zadventskalender, Zaisering.