Corylus Avellana in St. Emmeram

Benefizkonzert für Berufene

Am 14. Oktober kam die Königin von Saba nach Vogtareuth. Das Gitarrenquartett Corylus Avellana ließ den hohen Besuch als Zugabe einziehen. Und niemals mehr kam so viel Balsam in das Land (1 Kön 10,10), wie die Königin von Saba dem Orgelbauverein schenkte, der sich an diesem Abend reich, ja überreich beschenkt sah.

Corylus Avellana in St. Emmeram, Vogtareuth
Corylus Avellana

Belohnt wurde damit die Weisheit Richard Eschlbecks, der als musikalischer Direktor des Orgelbauvereins auf die Anfrage des spielfreudigen Quartetts rasch mit einer Zusage reagiert hatte. Und der Einzug der Königin aus Händels Solomon-Oratorium (HWV 67) war keineswegs die einzige Zugabe. Passend zu Kirchweih legten Andreas Gelbach, Oliver Ridderbusch, Andreas Lindae und Christian Leyh auf diesen ohnedies herausragenden Konzertabend noch Bruckners „Locus iste“ nach (das wir tags darauf am Kirchweihsonntag wie gewohnt auch von Chor und Orgel gehört haben).

Um es kurz zu sagen: So etwas erlebt man sehr selten, nicht für viel Geld in Münchener Konzertsälen, schon gar nicht in Rosenheim – vier technisch herausragende Gitarristen mit einem sehr klug kombinierten, hochinteressanten Programm in einem Klangraum, der wie für sie geschaffen erscheint. Bereits das Intro mit „Collywog’s Cakewalk“ aus Claude Debussys „Kinderecke“ öffnete dem Publikum die Ohren und rief heftigen Applaus hervor. Das erste Hauptstück, das Händel-Concerto-Grosso in G (Op. 6, Nr. 1, HWV 319), ließ Corylus Arvellana in unvergleichlich perlenden Kaskaden sich selbst übersteigern und verwies damit jede Streicherbesetzung locker auf die Ränge. Das klang aus dem Chorraum so dreidimensional, klar und selbstverständlich, heiter (allegro), leicht und mühelos, mit großer Dynamik und voller Lust an der Variation, dass man sogar die Klangfarben der Instrumente bei der Stafettenübergabe der Läufe mit Vergnügen wahrnehmen konnte – „ansteckend selbstvergnügt“ ist vielleicht die am ehesten passende Wendung für diese Musik. Die Schlusskadenzen setzte Corylus Avellana deutlich und mit gutem Effekt ab. Wenn ich raten dürfte, gehört zu diesem Quartett noch ein fünftes Mitglied, das mit sehr genauen Ohren im Publikum sitzt und prüft, ob und wie die Stücke wirken. Das ist bei Noten, die zum größten Teil aus anderen Instrumentierungen umgelegt sind, nur sinnvoll. Wir bestätigen gerne: Das wirkt bestens, en détail und im Gesamtprogramm.

Dabei hat Corylus Avellana den Vorteil, dass die Gruppe ungeniert – wo es überhaupt möglich ist – zu Repertoirestücken greifen darf, die man im Ohr hat. Schließlich hört man selbst Altbekanntes von vier Gitarren noch einmal ganz neu. Das gilt in ganz erstaunlicher Weise für die Klassiker aus Tschaikowskis „Nussknacker“-Suite, gilt aber auch für die Pavane von Gabriel Fauré, die in St. Emmeram nicht anders konnte als „einfach schön“ (seufzende Besucherstimme) zu sein, und es gilt noch für die schwierigen Melodiebögen der Klaviervariationen Op. 18b von Johannes Brahms. (Als Nächstes möchten wir am liebsten gleich Chopin auf 24 Saiten hören.) Tatsächlich für vier Gitarren komponiert waren einzig die „Gezeiten des Waldes“ von Anton Höger, den wir uns merken werden. Der zeitgenössische Komponist kam zunächst als bildender Künstler aus dem Ernst-Fuchs-Zweig der Wiener Schule des Phantastischen Realismus und ist nach etlichen Kompositionen für Gitarren (und Laute) wieder zur Malerei zurückgekehrt. Eine Art Wellenbewegung zieht die Hörer bei den „Gezeiten“ tiefer und tiefer ins Gründunkel, lenkt den Blick der Ohren zu Ruf und Echo im Gezweig und auf das Getrappel schneller Pfoten im Unterholz. (Daraus und aus weiteren Stücken gibt es Online-Tonbeispiele.)

Der Höhepunkt vor dem Finale war jedoch das Brandenburgische Konzert Nr. 3, bei dem Andreas Gelbach den Improvisationspart des zweiten Satzes übernahm. Wenn wir zuvor beim Händel staunten, so hier noch mehr. Man erlebt selten so klar, wie sich aus der Spielfertigkeit die Spielfreude ergibt. Am Ende schienen die vier Musiker die einzigen zu sein, die es gar nicht kümmerte, dass nur gut 30 Zuhörer gekommen waren, während die Zuhörer selbst für drei applaudierten und sich anschließend fremdschämend für das übrige Vogtareuth entschuldigten. Ihr, liebe Nichthörer, habt an diesem Abend sauber etwas verpasst.

Florian Eichberger

Veröffentlicht in Vogtareuth.

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