Ökumenische Pfingstandacht

Kirche und Mensch im Wandel der Zeit

„Gott sprach einst: Es werde! Denke daran“, sang der Vogtareuther Jugendchor unter der Leitung von Michael Eschlbeck in beschwingter, fröhlicher Melodie zur Einstimmung auf den ökumenischen Gottesdienst, der traditionell am Vorabend des großen Pfingstfestes im Vogtareuther Pfarrgarten gefeiert und von Pfarrer Reinhold Seibel aus der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Haidholzen und unserem Pfarrer Guido Seidenberger gemeinschaftlich zelebriert wird.

Jugendchor zur Eröffnung
Jugendchor zur Eröffnung

In strahlend blauer Luft und wärmenden Sonnenstrahlen stand die vorpfingstliche Feier am 3. Juni unter besonderem Segen des Heiligen Geistes. Damals wie heute ruft Gott seine Gemeinde aus allen Völkern und Sprachen in den Dienst des allgemeinen Priestertums und beschenkt sie mit verschiedensten Gnadengaben (Charismen). Sein Heiliger Geist zeigt auf vielfältige Art und Weise Möglichkeiten, sich für sein schöpferisches Wort zu öffnen, damit alte, festgefahrene Strukturen in seiner Kirchengemeinde aufgebrochen werden und Neues entstehen kann. So entfaltet der Glaube, der Leben wandeln, es befruchten kann und reifen lässt, hin zu Gott, erst seinen eigenen Geschmack.

Pfarrer Reinhold Seibel und Pfarrer Guido Seidenberger
Pfarrer Reinhold Seibel und Pfarrer Guido Seidenberger

Pfingsten spricht aus vielen Texten der Heiligen Schrift und ist ein Grunderlebnis der Kirche Gottes, sozusagen ihr Geburtstag. Im Verhaltenskodex von Moral und Gerechtigkeit, den Zehn Geboten, stiftet uns Gott (JHWH) am Berg Sinai die Basis für ein friedliches Zusammenleben. Dies sind Grundlagen, die dem Wandel der Zeit standhalten und schon vor 3000 Jahren begonnen haben. Die Erfahrung des Exils in Babylon war ein Weg Gottes mit seinem Volk. Danach veränderte sich der altertümliche Opferkult zu einer modernen Religion: Der Geist Gottes passt sich der Zeit an, obwohl Gott stets derselbe ist, gestern, heute, morgen und in Ewigkeit.

Die Dynamik des Heiligen Geistes zeigt sich im Mut zur Veränderung („Ecclesia semper reformanda“) und bahnt sich mit dem Beginn der Reformation ab 1517 den Weg. Sowohl die römisch-katholische Kirche als auch die evangelisch-lutherische Kirche haben ein gemeinsames Ziel vor Augen: eine Kirchenordnung, die dem Frieden dienlich ist, so Pfarrer Seibel mit Bezug auf die Confessio Augustana, die ohne Sünde eingehalten werden kann und sich an der Sache Gottes ausrichtet, gehalten in der Verheißung Jesu, dem Reich Gottes, mit den Worten des Vaterunsers: „Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.“ Gott ist kein Lebensmittel, Gott ist mehr: Er ist das Leben, ein Leben in Freude, er ist „Schatzfund“ und macht alles andere, sonst Wichtige, zur Nebensache.

Mit den Worten Jesu „Ihr seid das Salz der Erde“ (Mt 5,13) und „Ihr seid das Licht der Welt“ (Mt 5,14) sprach auch einst die Mama von Pfarrer Seibel zu ihrem Sohn: „Wem Salz und Licht ausgeht, der ist arm dran.“ Mit dieser Aussage traut uns Jesus zu, seine Kirche in Liebe mitzugestalten, zum Wohle aller. Kirche im Wandel der Zeit heißt auch: das Ohr an den Menschen halten.

Hilfreich sind hierfür Erfahrungen, die uns die Wirkweise in den Gnadengaben des Einzelnen verdeutlichen. Hierzu gab es einige Zeugnisse mutiger Christen: Den Einstieg machte Hans Bürger-Schuster, der sich dem Befehl zum Antritt seines Ministrantendienstes durch den unvergessenen Pfarrer Astner ohne Wenn und Aber bereitwillig beugen musste. Grinsend sprach er von damaliger „Selbstverantwortung“ im Dienst am Altar Gottes und von „liturgischen Lausbubengeschichten“. Elisabeth Thusbaß berichtete vom Teamgeist der 17 Pruttinger Gemeindemitglieder, die für großes Staunen sorgten, als ihre Inspiration ein gewaltiges Projekt startete, das in schöpferischer Gestaltung zuerst das wunderbare Weihnachtskripperl und dann noch das Passionskripperl entsehen ließ. Von Julia Maicher hörten wir über die Freude am Singen in der Jugendchorgemeinschaft, und auch das Firmlingskreuz gehört recht eigentlich hierher: als das handfeste, sichtbare Ergebnis eines gelungenen Gemeinschaftsprojekts.

An Zeiten der Veränderung in seiner Kirchengemeinde erinnerte sich auch Pfarrer Seibel selbst, der von der Entscheidung der Gemeinde für ein Abendmahl ohne strikte Altersbegrenzung berichtete und betonte, dass Kinder diesen Schritt mit großer Andacht bewusst wahrnehmen. Orientiert habe man sich hier an der Erstkommunion im katholischen Glauben, fügte der Geistliche wertschätzend hinzu. Abschließend erzählte Pfarrer Guido Seidenberger von einem Kirchenbesuch während seines Indienurlaubes. Dort ist es Besuchern gleich welchen Heiligtums selbstverständlich, dass sie nur barfuß den heiligen Raum betreten. Dabei betonte er auch, dass unkonventionelles Tun jedermann guttut. Um diesem Erfahrungswert nachzuspüren, konnten die Gottesdienstbesucher nun selbst barfuß über das kühle Gras der Pfarrwiese stapfen, um sich gleichzeitig über eigene Erfahrungswelten auszutauschen.

Barfuß im Pfarrgarten
Barfuß im Pfarrgarten

Ein symbolträchtiges Geschenk, das Pfarrer Seibel eigenhändig für jeden bereitet hatte, knüpfte zum Schluss noch an das Jesuswort von Salz und Licht an: eine Streichholzschachtel mit einem kleinen Salzpackerl zur Erinnerung und als wunderbarer Pfingstgruß. Mit Gottes reichem Segen der beiden Pfarrer wurde der Gottesdienst beschlossen. Das Agapemahl bei milder Abendsonne lohnte danach noch zum Verweilen.

Doris Heinl

Salz und Licht
Salz und Licht
Veröffentlicht in Pfarrverband.

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