Heiliges Jahr und Jahresthema

Eine Herausforderung im neuen Kirchenjahr

Doppelherz – „Mit der Kraft der zwei Herzen“. Mit diesem Slogan macht ein Pharmaunternehmen für ein Mittel zur Stärkung von Herz und Kreislauf seit über 60 Jahren Werbung. Ein Doppelherz begleitet uns auch durch das neue Kirchenjahr.

Das eine Herz steht in unserem Jahresthema, das bei den kirchlichen Festen in unserem Pfarrverband und hoffentlich im Leben eines jeden Einzelnen eine Rolle spielen wird: „Wo dein Schatz ist, ist dein Herz.“

Das zweite Herz hat seinen Ursprung in der Weltkirche. Papst Franziskus hat ein außerordentliches Heiliges Jahr ausgerufen, welches er am 8. Dezember, dem Hochfest der unbefleckten Empfängnis der Gottesmutter Maria, mit der Öffnung der Heiligen Pforte am Petersdom in Rom eröffnet. Zum Thema des Heiligen Jahres hat Papst Franziskus ausgewählt: „Barmherzig wie der Vater“.

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Das Heilige Jahr beginnt genau am 50. Jahrestag der Beendigung des Zweiten Vatikanischen Konzils durch den seligen Papst Paul VI. Das Konzil hatte der heilige Papst Johannes XXIII. am 11. Oktober 1962 eröffnet. Er hat dem Konzil den Auftrag Aggiornamento mitgegeben: Die Kirche muss sich verheutigen, sich mit den Zeichen der Zeit verbinden. Besonders die Pastoralkonstitution „Gaudium et spes“ macht deutlich, was dies praktisch bedeutet. Die Kirche und damit jedes Glied der Kirche hat den Auftrag, allen das Licht des Evangeliums zu bringen und allen Menschen die Heilskräfte anzubieten, die sie selbst von Jesus, ihrem Gründer empfangen hat. Diesen Auftrag macht Papst Franziskus zum Thema des Heiligen Jahres. In Jesus Christus wird das wahre Licht Gottes sichtbar. Jesus Christus ist das Gesicht, aus dem das Erbarmen des Vaterherzens allen Menschen aufleuchtet.

Wir Seelsorger im Pfarrverband wollten nicht zwei verschiedene Themen in unserem Pfarrverband haben, aber wegen der guten Erfahrungen auch auf ein eigenes Jahresthema nicht verzichten. Deshalb wählten wir zum Jahresthema ein Jesuswort aus der Bergpredigt aus: „Wo dein Schatz ist, ist dein Herz.“ Die Bergpredigt steht am Beginn der Lehrtätigkeit Jesu. Zu Beginn seines Auftretens sagt Jesus den Menschen zu: Selig seid ihr! Selig seid ihr, die ihr arm und barmherzig seid. Selig seid ihr, die ihr ein reines Herz habt. – Mit den Seligpreisungen macht Jesus den Menschen Mut. Er zeigt auf, welche menschlichen Verhaltensweisen sich lohnen. Heute würde uns Jesus vielleicht zurufen: Selig seid ihr, wenn ihr es fertigbringt, alles loszulassen. Selig seid ihr, wenn ihr Verlangen nach Gerechtigkeit habt. Selig seid ihr, wenn es euch nicht genügt, Christen zu heißen, ohne wirklich meine Jünger zu sein.

Mit dieser Vorgabe fordert uns Jesus in seiner Bergpredigt auf, Schätze zu sammeln. Aber nicht vergängliche Schätze sollen wir suchen, Schätze, die nur auf dem Sparbuch sichtbar werden oder eine persönliche Ehre einbringen. Jesus gibt uns vielmehr den Auftrag mit, Schätze zu sammeln, die das barmherzige Antlitz des Vaters sichtbar machen. Es geht darum, den Himmel zu erden. Hier und heute sind wir in der Nachfolge Jesu gefordert, die Barmherzigkeit des Vaters, dort wo Gott uns hingestellt hat, aufleuchten zu lassen. Wir und nur wir sind das Antlitz Jesu, sein Gesicht, das den Menschen gegenübertritt.

Jesus nachfolgen heißt, IHN zu zeigen und nicht sich selbst darzustellen. In der Bergpredigt bringt Jesus dies mit deutlichen Worten zum Ausdruck: Hütet euch, eure eigene Gerechtigkeit zur Schau zu stellen. Ja nicht einmal die Linke darf wissen, was die Rechte tut.

Selbst für unser Beten gibt uns Jesus eine Weisung mit. Unmittelbar bevor er uns auf Schatzsuche schickt, mahnt er: Nicht wie die Heuchler dürft ihr beten, denn der Vater im Himmel weiß, was ihr braucht, noch ehe ihr ihn bittet. Ich bitte, die Wortwahl Jesu zu beachten: Der Vater weiß in seiner unendlichen Barmherzigkeit, was wir brauchen. Es geht beim Beten nicht darum, was wir wollen.

Der gemeinsame Schnittpunkt des Themas des Heiligen Jahres und des Jahresthemas ist das HERZ, das sich im Antlitz Jesus zeigt und das dort ist, wo der Schatz ist.

Zum Heiligen Jahr wird es viele Angebote geben, von Gottesdiensten jeglicher Art bis zu Wallfahrten. Es wird auch nicht nur eine Heilige Pforte am Petersdom in Rom geöffnet werden, deren Durchschreiten im Heiligen Jahr mit besonderen Gnadengaben verbunden ist. Auf ausdrückliche Anordnung des Heiligen Vaters werden in jeder Bischofskirche und in weiteren Kirchen Pforten der Barmherzigkeit geöffnet. Die für uns nächstliegende ist an der Wallfahrtskirche Heilig Blut in Rosenheim. Dorthin wird auch unser Pfarrverband im Jahreslauf pilgern.

Wir Seelsorger im Pfarrverband möchten Sie auch einladen, sich auf Schatzsuche zu begeben, denn „wo dein Schatz ist, ist dein Herz“. Wir sind alle eingeladen, nach den Schätzen in unserem Leben zu suchen und zu überlegen, ob dort, wo wir Schätze für das Leben entdecken, auch unser Herz ist, oder ob man es erst dorthin bringen muss. Jeder kann sich auch auf die umgekehrte Suche machen und darüber nachdenken, wo denn sein Herz ist, und dann überlegen, ob dort wirklich die wahren Schätze verborgen sind.

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Am heutigen zweiten Adventsonntag begegnet uns Johannes der Täufer, der letzte der Propheten des Alten Bundes. Sein Ruf ergeht in der Wüste: Bereitet dem Herrn den Weg! Der Ruf ergeht in der Wüste: also dort, wo die Grenzen menschlichen Lebens sehr deutlich werden. Die Wüste ist aber auch der Ort, wo der Lärm des Alltags nichts übertönt, wo auch leise Töne gehört werden. „Bereitet dem Herrn den Weg!“ Johannes bittet uns eindringlich, den Einzug des Herrn unseres Gottes in die Welt möglich zu machen und dem Herrn, in dessen Antlitz das herzliche Erbarmen Gottes erfahrbar wird, den Weg zu ebnen. Gott braucht den Menschen, um in der Welt wirken zu können. Er braucht das Zeugnis der Menschen in Wort und Leben, damit sein Wirken auch sichtbar und für die Menschen erfahrbar wird. Gott hat nur das menschliche Angesicht, unser Gesicht, um seine Barmherzigkeit zu zeigen. Wenn die Menschen in ihrem Gesicht Gottes Barmherzigkeit nicht widerspiegeln, bleibt sie verborgen.

Gott braucht uns, damit sein Dasein in der Welt bemerkt wird. Gott braucht die Stille, die Einkehr, denn in der Hetze der Massen ist er nur schwer zu finden. Er braucht die Einfachheit und Abgeschiedenheit der Wüste. Der Trubel führt uns vielleicht zu den vergänglichen Schätzen, die den Weg zum Himmel nicht ebnen. Aber es geht ja beim Sammeln von Schätzen nicht darum, diese zu horten, um ein Argumentationspolster zu haben, wenn man an der Himmelstüre steht und Einlass begehrt. Es geht darum, Schätze zu sammeln, die den Himmel heute auf die Erde holen, die dem Herrn den Weg ebnen, damit die Welt schöner wird. Johannes ruft ja ausdrücklich nicht dazu auf, dass die Menschen für sich eine Autobahn in den Himmel bauen. Nein, es geht umgekehrt darum, Gott einen Weg zu bereiten, damit ER in diese unsere Welt kommen kann. Johannes ruft dazu auf, das Erbarmen des Vaterherzens allen Menschen aufleuchten zu lassen. Wir müssen nicht bei den eigenen Ängsten stehen bleiben, sondern dürfen auf die Barmherzigkeit des Vaters vertrauen.

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Wir werden sie brauchen, die Kraft der zwei Herzen, auf unserem Weg durch das Heilige Jahr. Am Schluss des Jahres stellt sich für jeden die Frage: Ist durch mich das Antlitz Jesu sichtbar geworden, das die Barmherzigkeit des Vaters zeigt? Habe ich Schätze entdeckt und an diese Schätze mein Herz verloren und habe ich dadurch den Himmel auf die Erde geholt? Daran werden wir gemessen werden.

Papst Franziskus zitiert in der Bulle der Ankündigung des Heiligen Jahres den heiligen Johannes vom Kreuz, der gesagt hat: „Am Abend unseres Lebens werden wir nach der Liebe gerichtet werden.“ Die Liebe ist unser Orientierungsmaßstab. An der gelebten Liebe wird die Barmherzigkeit des Vaters sichtbar. An der gelebten Liebe richtet sich aus, ob die gesammelten Schätze tatsächlich Schätze für den Himmel sind.

Mit der Kraft der zwei Herzen, die uns geleiten durch das neue Kirchenjahr, dürfen wir mit dem heiligen Johannes vom Kreuz darauf vertrauen, dass auch für uns gilt: „Am Abend unsres Lebens wird nur noch die sichtbar gewordene Liebe eine Rolle spielen.“

Diakon Hans Mair

Veröffentlicht in alle, Glauben, Pfarrverband.

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